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Analyse: Iron Maiden's "Different World"

Zwischen Dur und Moll

Der Song “Different World” von Iron Maiden ist auf dem Album “A Matter of Life and Death” (2006) erschienen und wurde von Bassist Steve Harris und Gitarrist Adrian Smith geschrieben. Wie viele andere Hits von Iron Maiden trägt auch dieser Song die deutliche Handschrift von Adrian Smith: einprägsames Riff, einfache formale Struktur und ein “singbares” Gitarrensolo mit für Smith typischen Licks.

Eine Besonderheit des Songs ist, dass er irgendwo zwischen e-Moll und G-Dur schwebt. Recherchiert man zu diesem Thema im Internet und schaut sich Notensätze des Songs an, wird die Tonart immer unterschiedlich angegeben. Mal ist es e-Moll, mal G-Dur. Doch was stimmt nun?

Akkorde des Songs und Vorzeichen

Schauen wir uns den Song doch einmal genauer an. Der Song besteht aus den folgenden Akkorden:

E5, C5, D5, G5, A5, Dsus4, D

Auffällig ist, dass wir es mit vielen Powerchords zu tun haben, denen bekanntlich die Terz fehlt. Ihre Dur- oder Moll-Tonalität ergibt sich also ausschließlich aus dem musikalischen Zusammenhang, in dem sie gespielt werden.

Hört man sich den Song an, erklingen die Powerchords im harmonischen Zusammenhang wie folgt:

Em, C, D, G, Am plus Dsus4

Die Tonart anhand der Vorzeichen zu bestimmen, hilft nur bedingt weiter, da zu jeder Dur-Tonart eine parallele Moll-Tonart gehört, die über die gleichen Vorzeichen verfügt. In unserem Fall hätten also die Tonarten e-Moll und G-Dur die gleichen Vorzeichen, nämlich ein Kreuz für den Ton fis.

Der nächste Schritt wäre, auf den ersten und letzten Akkord des Stücks zu schauen. In beiden Fällen ist es ein E5-Akkord, also im Zusammenhang gespielt Em. Haben wir es also mit e-Moll als Tonart zu tun?

Das Riff

Vielleicht gibt uns das Main Riff des Songs Aufschluss über die Tonart. Schauen wir es uns einmal genauer an:

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Different World (Iron Maiden): Main Riff

Die ersten drei Zweiklänge bestehen aus einem E5 Powerchord, dessen Quinte mit den Tönen c und a einmal im weiteren Verlauf umspielt wird. Dann folgt eine kurze Tonleiter-Passage. Schauen wir uns diese einmal genauer an. Die Töne sind: e fis g a g fis e. Es folgt wieder der Powerchord Part, dann erneut eine Skala, dieses mal nur absteigend: d c h(b) a g fis e

Nimmt man alle Töne zusammen, ergibt sich der folgende Tonvorrat:

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Die Töne von e-Moll (natürlich/aeolisch)

Also ist die Sache doch klar, oder? Das Stück steht in e-Moll, und zwar in der natürlichen Molltonart ohne Leitton. Wenn da nur eine Sache nicht wäre, nämlich der Refrain. Im Refrain haben wir die Akkordfolge:

G    |C    |Am  |C    |G    |C    |Em   |D     |

Em |C    |G     |D    |Em |C    |G      |D    ||

Moment mal, sind das nicht eher typische Akkorde für G-Dur? Hängt davon ab…

Schauen wir mal auf die Akkorde von e-Moll (natürlich):

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Die Dreiklänge/Akkorde über e-Moll (natürlich/aeolisch)

Alle Akkorde des Chorus sind auch in e-Moll (natürlich) enthalten. Aber: Wie klingt die Akkordfolge? Und in welcher Funktion stehen die Akkorde im Chorus?

Hört man sich nur den Chorus an, erkennt man als Hörer sofort G-Dur. Der G-Dur Akkord hat definitiv die Funktion einer Tonika und alles andere dreht sich um diesen Ruhepol. Man hört deutlich die entsprechenden Funktionen der Akkorde heraus:

Tonika G

Subdominante C

Subdominantparallele Am

Tonikaparallele Em

und schließlich die Dominante D

Der Chorus ist eindeutig Dur-tonal und auch im weiteren Verlauf ändert sich daran nichts. Immer wieder tauchen auch dort typische Verbindungen für Dur-Tonarten auf: I – IV – V – VI – I und so weiter. Dann am Ende noch die Wendung Dsus4 auf D mit Dsus4 als typischen Vorhaltakkort zur Dominante D lässt auf G-Dur schließen. Und doch…

Parallele Tonarten

Die Unsicherheit entsteht, weil sich die Komponisten geschickt des Tonvorrats und der Akkorde von e-Moll und G-Dur bedienen. Beide Tonarten sind sogenannte parallele Tonarten. e-Moll ist die parallele Moll-Tonart zu G-Dur und umgekehrt G-Dur die parallele Dur-Tonart zu e-Moll. Das Kennzeichen von parallelen Tonarten ist, dass sie sich den gleichen Tonvorrat teilen. Schauen wir uns hier einmal die beiden Tonarten e-Moll und G-Dur direkt nebeneinander an:

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Die Töne von e-Moll (natürlich/aeolisch)
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Die Töne von G-Dur (ionisch)

Der Tonvorrat beider Tonarten ist identisch, sprich: Alle Töne von e-Moll (natürlich) sind in G-Dur enthalten und umgekehrt. Damit sind auch die Akkorde identisch, sie besitzen aber jeweils eine andere Funktion. Die drei Hauptakkorde von e-Moll (natürlich) sind: Em, Am, Hm (Bm).

Um eine dominantische Wirkung zu erzielen, wird bei Molltonarten anstelle eines Mollakkords über der fünften Stufe oft die Dur-Variante gespielt, in diesem Fall wäre das H-Dur (B-Dur) anstelle von Hm (Bm). Dazu müsste dann in der Skala auch der Ton d zu dis verändert werden, was aus der natürlichen Moll-Tonleiter eine harmonische Moll-Tonleiter machen würde. Der Ton dis kommt allerdings im Song “Different World” nicht vor. Aus dem G-Dur Dreiklang auf der dritten Stufe würde dann außerdem ein übermäßiger Dur-Akkord. Auch dieser kommt in dem Stück nicht vor.

Zwischenwelt

Wir befinden uns bei Different World also in einer Art Zwischenwelt zwischen den beiden Tongeschlechtern durch das geschickte Nutzen der beiden parallelen Tonarten. Die Strophe erklingt definitiv Moll-tonal, während der Refrain eindeutig Dur-tonal ist, was durch die prominent gesetzten Dur-Hauptakkorde von G-Dur mit ihren typischen Beziehungen erreicht wird. Noch interessanter wird es, wenn man die Akkorde und die Struktur des Gitarrensolos betrachtet. Dieses beginnt auf einem e-Moll Akkord, um danach sofort in eine typische Dur IV – I – V Verbindung zu münden. Aus diesem Grund höre ich an dieser Stelle eher eine Dur-Tonart mit einer vi – IV – I – V Verbindung und nicht e-Moll mit i – VI – III – VII

Fazit: Tonart von Different World

Nimmt man die aufgezeigten Fakten als Grundlage, muss die Tonart als G-Dur bezeichnet werden. Auch das Fehlen der Moll-Dominante in dem Song weist daraufhin, dass wir es eher mit G-Dur zu tun haben. Für mich wurde die Dur-Tonalität allerdings in der Strophe in eine Moll-Verkleidung gepackt, die die eigentliche Dur-Tonalität verschleiert und erst im Chorus offenbart. Als Kompromiss könnte man sagen, dass die Strophe in der Moll-Parallele e-Moll steht, während der Refrain und das Solo in G-Dur erklingen. Niemand schreibt schließlich vor, dass die Dominante einer Tonart verwendet werden muss. Hört man sich allerdings einmal typische Lieder in Moll an, stellt man schnell den klanglichen Unterschied fest und auch die Wichtigkeit der (Dur-)Dominante in Moll-Tonarten. Zumindest mir geht es so, dass spätestens nach dem Hören des ersten Refrains auch die Akkorde der Strophe eher als Akkorde einer Dur-Tonart gehört werden und nicht mehr als die einer Moll-Tonart wie noch zuvor. Wie hörst du das?

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