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Grundlagen: Band-Arrangement

Vielleicht hast du schon öfter mal vor der Bühne bei Cover Bands gestanden und dich gefragt, warum oft ein und derselbe Song so unterschiedlich klingt – und oft sogar sehr schlecht. Häufig wird dann die Technik dafür verantwortlich gemacht. In der Realität liegt die Wahrheit jedoch in den meisten Fällen woanders: im Arrangement. In diesem Artikel verrate ich dir die Grundlagen eines guten Band-Arrangements.

Guter Sound entsteht mit einem guten Band-Arrangement

Frequenzbereiche

Ein Arrangeur ist eigentlich nichts anderes als ein Tontechniker, der im Studio eine Mischung erstellt. Tontechniker werden auch oft humorvoll als “Schallereignissortierer” bezeichnet. Eigentlich trifft diese Bezeichnung sogar eher auf den Arrangeur zu, denn er steht vor der Arbeit des Tontechnikers. Ein schlechtes Arrangement kann selbst der beste Tontechniker nicht retten – das gilt für die Mischung im Studio gleichermaßen wie für die Mischung von Live-Ton. Und alles startet ganz am Anfang – mit dem Frequenzgang von Instrumenten.

Wer für eine Band arrangieren möchte (oder auch für sich zu Hause alleine in der DAW), muss die grundlegenden Charakteristiken der genutzten Instrumente kennen. Es gibt einige Instrumente, die in einem bestimmten Frequenzbereich zu Hause sind, andere hingegen erstrecken sich über den gesamten Hörbereich.

Nehmen wir als Beispiel den E-Bass. Dieser bewegt sich mit seinen Grundtönen im Bereich von grob gesagt 30 Hz bis 400 Hz. Hinzu kommen die Obertöne, die sich je nach Spielweise (Slappen zum Beispiel) auch bis in den oberen Mittenbereich und unteren Höhenbereich erstrecken können. Nimmt man als weiteres Beispiel die E-Gitarre, sieht man sofort, dass sich deutliche Überschneidungen zum E-Bass ergeben: Hier spielt sich nämlich erneut grob betrachtet alles zwischen 80 Hz und 1200 Hz ab (Grundtonbereich). Hinzu kommt nun das Schlagzeug, das von rund 40 Hz bis 16.000 fast den gesamten Hörbereich eines Erwachsenen abdeckt, Keyboards, die in der Lage sind von tiefsten Frequenzen unter 20 Hz bis zu höchsten Frequenzen über 20 kHz alles abzudecken und schließlich der Gesang, dessen Grundtonbereich  von der Stimmlage des Sängers oder der Sängerin abhängig ist und irgendwo mittendrin liegt.

Wie ihr seht, überschneiden sich die Instrumente deutlich.

Hörempfinden

Vielleicht hasst du schon mal was von den Kurven gleicher Lautheit gehört oder den Begriff Fletcher/Munson-Kurven. Diese zeigen, dass der Mensch unterschiedliche Frequenzbereiche verschieden hört. Unser Gehör ist nicht für alle Frequenzbereiche gleich empfindlich. Evolutionär bedingt sind wir besonders empfindlich im breiten Feld von 500 Hz bis 5 kHz. Darunter und darüber nimmt die Empfindlichkeit unseres Gehörs rapide ab. Hier muss ein Signal eine wesentlich höhere Lautstärke besitzen, um genauso laut empfunden zu werden wie ein Signal in dem Bereich, für das unser Gehör sehr empfindlich ist.

Was können wir daraus ableiten? Der Bereich zwischen 500 Hz und 5 kHz darf nicht überfrachtet werden. Zugleich können wir darauf ableiten, dass Signalanteile im sehr tiefen und sehr hohen Frequenzbereich wichtig sind und ausreichend laut sein müssen, damit wir sie ähnlich laut wahrnehmen wie den mittleren Frequenzbereich. Dafür sorgt jedoch meistens schon die Wiedergabe über Lautsprecher und bei einer PA werden die Subwoofer für eine druckvolle Basswiedergabe deshalb entsprechend dimensioniert.

Viel macht nicht viel

Die wichtigste Maßgabe für junge Bands sollte es sein, den gesamten Hörbereich aufgeräumt zu lassen. Bassisten mit Fünfsaiter und Gitarristen mit Siebensaitern oder Drop Tunings werden sich gegenseitig in die Quere kommen, wenn der Gitarrist am Amp den Bassregler aufreißt oder der Bassist die Mitten stark betont. Es dröhnt dann stark und insbesondere die Tiefmitten sind überbetont. Werden nun noch Bass Drum und Standtom, die ebenfalls in diesen Bereichen starke Signalanteile haben, betont, ist das Chaos fast perfekt. Nun kommt noch ein Keyboarder hinzu und von einem differenzierten Sound ist nicht mehr zu sprechen.

Der Sound ist druckvoller, wenn alle Instrumente etwas zum Gesamtklangbild beitragen. So wuchtig die Powerchords in tiefer Lage mit brachialer Verzerrung und aufgerissenem Bass-Regler klingen mögen, so mehr Druck nehmen sie weg. Spielt man sie eine Oktave höher  und gibt dem Bass mehr Freiraum, klingt es deutlich aufgeräumter. Sind zwei Gitarristen vorhanden, kann ein Gitarrist in einer tiefen Lage spielen und ein Gitarrist in einer höheren Lage. Es müssen auch nicht beide Gitarristen Powerchords mit Grundton, Quinte und Oktave spielen. Auch  eine moderate Verzerrung erhöht den Druck, da das Gitarrensignal weniger durch die Röhren komprimiert wird (oder durch einen Algorithmus).

Keyboarder dürfen die linke Hand ruhig in die Hosentasche stecken oder für andere Aufgaben nutzen als Oktavbässe. Flächen-Sounds sollten solistisch gespielt eher dünn klingen und in höheren Gefilden angesiedelt sein als ein voller und mittenbetonter Sound, der dann den Gitarren in die Quere kommt und den Sänger oder die Sängerin in den tieferen Lagen zudeckt.

Drahtige und dünne Klavier-Sounds klingen im Bandzusammenhang sehr gut. Ein Konzertflügel hingegen wird sich kaum durchsetzen können. Effekte wie Hall oder Echo sollten sparsam eingesetzt werden (das gilt auch für die Gitarrenfraktion). Sollte ein spezieller Effekt nötig sein, zum Beispiel für ein Solo oder Effekte wie Chorus, Flanger, Phaser, Wah, sind diese natürlich erlaubt. Ansonsten ist es besser, Hall dem Tontechniker zu überlassen. Ist ein Delay integraler Bestandteil des Rhythmus (siehe U2), ist das natürlich auch kein Problem. Allerdings sollten dann andere Instrumente eher zurücktreten und vor allem nicht zu rhythmisch spielen. Bei U2 zum Beispiel übernimmt die Gitarre oft den Part von eigentlich zwei Gitarristen plus Keyboarder. Deshalb ist einfach genug Platz für viel Delay und Hall.

Spielt sich der Gesang in der tiefen Lage ab, müssen die Instrumente während dieser Passagen deutlich ausgedünnt werden und hinter dem Gesang zurücktreten. Dieser kann sich sonst nicht durchsetzen. Nicht ohne Grund singen die meisten Heavy Metal Shouter wie Bruce Dickinson in unmenschlich hoher Lage gegen die Gitarrenwand an. Ohne die hohe Lage könnte sich der Gesang niemals gegen zwei oder gar drei Gitarren wie in der aktuellen Iron Maiden Besetzung durchsetzen.

Drummer, die durchgängig auf ihre Becken prügeln oder mit offener HiHat spielen, decken bereits einen Großteil des Frequenzspektrums zu. Becken reichen nämlich wesentlich tiefer hinab als man glaubt. Die tiefsten Signalanteile liegen bei 350 Hz. Gitarristen, Keyboarder und insbesondere Sänger werden sich bedanken. Schlagzeuger, die so spielen, nehmen sich darüber hinaus die Möglichkeit, Akzente zu setzen.

Rhythmus

Druck entsteht durch ein gutes Timing und aufeinander abgestimmte Rhythmen. Es ist nicht erforderlich, dass Bass Drum, Bass und Rhythmusgitarre exakt den gleichen Rhythmus spielen, sondern dass die betonten Zählzeiten zusammen gespielt werden. Eine Synkope, die nur ein Instrument spielt, die anderen aber nicht, verfehlt ihre Wirkung und es holpert. Auch Druck wird sich nicht einstellen. Sprecht euch deshalb immer gut ab und übt die Rhythmusparts gemeinsam. Das kann auch ohne den Rest der Band geschehen. Ich persönlich würde immer mehr Wert auf tightes Rhythmusspiel legen als auf ausgebuffte Arrangements, Soli und mehr.

Pausen

Der wahre Reiz der Musik liegt in den Passagen, in denen nicht gespielt wird, in den Pausen. Es muss nicht immer jeder zu jeder Zeit spielen. Schau dir auf Youtube Videos von Orchestern an oder noch besser: Besuch ein Konzert mit Orchester. Du wirst merken, dass über weite Passagen eines Werks die Mehrzahl der Musiker nicht spielt, während dann urplötzlich das Orchester geradezu explodiert. Pausen sind wichtig für die Musik. Zwei Stunden Konzert mit voller Power ermüden nicht nur das Gehör, sondern sind auch langweilig.

Dynamik

Das bringt mich direkt zum nächsten Punkt: Musik benötigt Luft zum Atmen und die entsteht durch die Dynamik. Vom leisen pianissimo bis zum forte fortissimo darf alle dabei sein. Auch Lautstärkeverläufe wie crescendo und decrescendo gehören zur Musik. Zwar hat populäre Musik eine geringere Dynamik als klassische Musik, doch gar keine Dynamik ist auch nicht schön. Ein sehr gutes Beispiel für ein Stück mit toller Dynamik ist der Song “Brothers in Arms” vom gleichnamigen Album der Dire Straits. Höre dir mal den Anfang an, wie leise das Stück beginnt. Alles steigert sich dann im Verlauf des Songs, wird zurückgefahren, steigert sich wieder. Ein ausgedünntes Arrangement hat eine gefühlt geringere Lautstärke als ein volles Arrangement mit allen Instrumenten am Vollanschlag. Sehr schön zu hören ist das bei “Every breath you take” von The Police. Die Strophen sind sehr sparsam, die Rhythmusgitarre spielt das berühmte Arpeggio-Pattern. Später steigert sich der Song zur Bridge hin immer mehr, die Gitarre bricht aus dem Arpeggio aus und spielt nun volle Akkorde, das Klavier kommt hinzu und bewegt sich in der oberen Lage mit einer kleinen Melodie, der Bass spielt sich hervor, das Schlagzeug spielt mit mehr Drive und Sting wechselt gesanglich in eine höhere Lage. Direkt danach setzt die Band wieder alles auf Anfang.

Ein tolles Stück ist auch “Born to Run” vom gleichnamigen Album Bruce Springsteens. Trotz der “Wall of Sound” ist das Arrangement aufgeräumt. Mal spielt die gesamte Band mit vollem Sound, mal nehmen sich Instrumente zurück. Achte darauf, wie sich das Glockenspiel von Danny Federici mit dem Klavier von Roy Bittan ergänzt. Die tolle Rhythmusarbeit von Bass, Schlagzeug und Gitarre ist auch beachtenswert. Die Hammond Orgel spielt manchmal kleine chromatische Melodieverläufe, an anderen Stellen Akkorde. Zum Höhepunkt des Songs zum Gitarrensolo hin kommen Streicher hinzu, die mit den anderen Instrumenten unisono spielen. Beim Saxophonsolo wird deutlich, wie gut die Musiker rhythmisch zusammenspielen und den Solisten unterstützen. Eine sehr hohe Dynamik besitzt der Song “Jungleland” vom gleichen Album. Er ist diesbezüglich ein wahres Meisterwerk und toll arrangiert.

Fazit

Band-Arrangement ist kein Hexenwerk und du musst nicht Arrangement studiert haben, um einen guten Sound zu schaffen. Wer etwas darauf achtet, bestimmte Frequenzbereiche nicht zu überfrachten, gut im Timing miteinander spielt, gezielt Pausen setzt und ein dynamisches Arrangement schafft, wird keine Probleme damit haben, auf der Bühne einen guten Sound zu erreichen (oder im Studio). Ein gutes Band-Arrangement macht es dem Tontechniker viel leichter, einen tollen Sound zu zaubern – für euch und für das Publikum. Und was will man schließlich mehr?

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