Grundlagen: Einmessen einer PA
Das Einmessen der PA gehört für FoH-Techniker bei großen Veranstaltungen fest zum Tagesgeschäft. Welches Equipment du für den Aufbau eines eigenen Messsystems benötigt und warum sich das Einmessen deiner PA unabhängig von der Veranstaltungsgröße immer lohnt, erfährst du in diesem Artikel.
Einmessen – was bedeutet das?
“Einmessen” ist eigentlich nicht das passende Wort für den Vorgang, hat sich jedoch im deutschen Sprachraum bei Technikern und Musikern eingebürgert. Unter dem Wort “Einmessen” im Zusammenhang mit einem Beschallungssystem verstehen wir das Untersuchen des Beschallungssystems in einem Raum mit einem Messsystem und das anschließende Korrigieren verschiedener Parameter.
Wir untersuchen zum Beispiel den Frequenzgang, die Laufzeiten mehrerer Lautsprecher zueinander oder den Phasengang. Auffälligkeiten und Abweichungen vom zu erwartenden (oder gewünschten) Ergebnis werden im Anschluss mechanisch durch eine veränderte Aufstellung oder technisch korrigiert.
Eine technische Korrektur wäre eine Änderung des Frequenzgangs mittels EQ oder auch das Ausgleichen von Laufzeitunterschieden mittels Delay.
Aufbau eines Messsystems
Ein Messsystem zum Einmessen einer PA ist weitaus weniger komplex als die meisten Laien annehmen. Es besteht in erster Linie aus einem Messmikrofon, einem Audio-Interface und einem Computer. Es gibt auch Messsysteme, die komplett ohne Computer auskommen. Dazu gehört zum Beispiel das System bestehend aus NTi Audio XL2 Analyzer, M4261 Messmikrofon und dem MR Pro Minirator Signalgenerator. Der Gesamtpreis für das System liegt allerdings bei stolzen 3200 Euro und übersteigt deutlich den Preis eines computergestützten Systems, wie ich es dir im Folgenden vorstelle.
Computer
Da wir mit unserem Messsystem möglichst mobil sein möchten, empfiehlt sich die Anschaffung eines Laptops. Dieser muss überhaupt nicht sonderlich leistungsfähig sein, sondern es reichen selbst einfachste und ältere Modelle. Es gibt fast für alle Betriebssysteme passende Software, sodass es sich lohnen kann, einen älteren Computer für die Arbeit innerhalb eines Messsystems zu reanimieren oder auch gebraucht zu kaufen.
Du bastelst gerne und stehst auf Low Cost-Computer? Dann reicht selbst ein günstiger Raspberry Pi. Linux-Kenntnisse und ein passendes Audio-Interface vorausgesetzt
Die dritte Möglichkeit ist die Verwendung eines Tablets oder Smartphones wie eines iPads oder iPhones. Für iOS/iPadOS existieren eine Reihe professioneller Apps, die in Verbindung mit einem Audio-Interface (Achtung: es muss USB Class Compliant sein) erstklassige Messergebnisse liefern.
In diesem Artikel soll es aber primär um die Verwendung eines Computers gehen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um einen Apple Mac oder einen Windows PC handelt.
Für den Anschluss des Audio-Interface benötigt dein Laptop lediglich einen USB-Port.
Messmikrofon
Messmikrofone verfügen über einen möglichst linearen Frequenzgang und eine omni-direktionale Kapsel (Kugelcharakteristik). Die Kugelcharakteristik ist wichtig, da wir Schall aus allen Richtungen aufnehmen möchten. Messmikrofone sind in der Regel als Kondensatormikrofone ausgeführt und benötigen Phantomspeisung (+48 Volt). Ein Betrieb über Batterien ist unvorteilhaft, da mit abfallender Spannung die Übertragungsqualität des Mikrofons beeinträchtigt wird.
Achte also darauf, dass das Audio-Interface Phantomspeisung besitzt, was aber eigentlich selbst bei sehr günstigen Interfaces der Fall ist.
Messmikrofone gibt es in so ziemlich jeder Preisklasse. Das günstigste Messmikrofon am Markt ist das Behringer ECM8000 für 34€, gefolgt vom the t.bone MM-1 für 35€ (Thomann-Hausmarke) und dem Superlux ECM999 für 39€. Natürlich gibt es erheblich hochwertigere Messmikrofone, die insbesondere über eine vom Hersteller mitgelieferte Kalibrierungsdatei für das Messsystem verfügen. Für die Messung deiner PA am Veranstaltungsort reicht ein solches günstiges Mikrofon allerdings vollkommen.
Erste Mikrofone mit Kalibrierungsdatei gibt es schon für unter 100 Euro, zum Beispiel das Sonarworks SoundID Reference Measurement Microphone für 89 Euro. Das Beyerdynamic MM1 ist mit 189 Euro noch einmal etwas teurer.
Diffusfeldentzerrung vs. Freifeldentzerrung
Neben dem möglichst linearen Frequenzgang und der Kugelcharakteristik gibt es ein weiteres wichtiges Kriterium, das wir beim Einsatz unseres Messmikrofons berücksichtigen müssen. Es gibt zwei verschiedene “Entzerrungen” für Mikrofone: Diffusfeldentzerrt und freifeldentzerrt. Der Begriff Freifeld meint ein akustisches Umfeld, in dem keinerlei Reflexionen existieren. In der Realität gibt es so ein Umfeld höchstens in einem sehr großen Abstand vom Boden, also irgendwo hoch in der Luft. Annähern kann man sich einem Freifeld mit einem reflexionsarmen Raum, also einem Messraum, in dem Reflexionen auf ein Minimum reduziert sind.
Sobald Reflexionen ins Spiel kommen, reden wir von einem Diffusfeld. Reflexionen erhalten wir durch Wände, Decken, dem Boden und allen Gegenständen in einem Raum.
Ist ein Mikrofon für das Freifeld entzerrt, ist sein Frequenzgang auf der 0°-Achse linear. Trifft also Schall frontal auf die Mikrofonkapsel, sollte das Mikrofon diesen ohne eine Verzerrung des Frequenzgangs in ein elektrisches Signal wandeln.
Nun wissen wir bereits aus dem Grundlagen-Artikel über Mikrofone, dass es eine Kugelcharakteristik über den gesamten Frequenzbereich nicht gibt. Je kleiner die Wellenlänge einer Frequenz im Vergleich zur Mikrofonkapsel ist, desto richtender wird das Mikrofon. Hohe Frequenzen haben eine kürzere Wellenlänge als tiefere Frequenzen. Eine wirkliche Kugelcharakteristik besitzen omni-direktionale Mikrofone also nur für tiefe Frequenzen, während sie für hohe Frequenzen zunehmende richtender werden. Hinzu kommt ein weiteres “Problem”:
Nun fallen hohe Frequenzen im Nachhall schneller ab als tiefere. Befindet sich das Mikrofon bei der Messung also weit entfernt von den Lautsprechern an einer Position, an der der Diffusschall überwiegt, würde automatisch eine verringerte Höhenwiedergabe attestiert.
Möchten wir nun das Verhalten eines Raumes messen, sprich die Raumakustik, benötigen wir einen möglichst linearen Frequenzgang für Schalleinfall aus allen Richtungen. Um also der Richtwirkung für höhere Frequenzen und dem damit verbundenen Höhenabfall für seitwärts oder rückwärtig eintreffendem Schall entgegenzuwirken, besitzen Messmikrofone mit Diffusfeldentzerrung eine Höhenanhebung auf der 0°-Achse. Da der Schall aber aus allen Richtungen über 360° verteilt eintrifft, gleicht sich diese Höhenanhebung zu einem im Diffusfeld linearen Frequenzgang aus. Diffusfeldentzerrte Messmikrofone eignen sich also prima für Messungen im Raum.
Würden wir mit einem solchen diffusfeldentzerrten Mikrofon den Frequenzgang eines Lautsprechers im Freifeld messen (also zum Beispiel im reflexionsarmen Raum), würden wir eine im Höhenbereich verzerrte Darstellung erhalten.
Für den Anwender ist es also wichtig zu wissen, welche Art der Entzerrung das eigene Messmikrofon besitzt. Das Behringer ECM8000 ist zum Beispiel diffusfeldentzerrt, während das Superlux ECM999 freifeldentzerrt ist. Möchten wir ein diffusfeldentzerrtes Mikrofon im Freifeld verwenden, müssen wir entweder eine Korrekturkurve verwenden oder aber das Mikrofon etwas anders ausrichten, um die Höhenanhebung zu kompensieren. Statt das Mikrofon dann mit der 0°-Achse direkt auf einen Lautsprecher zur richten, winkelt man es etwas an. Für die meisten diffusfeldentzerrten Messmikrofone hat sich ein Winkel von 60° als ausreichend erwiesen.
Umgekehrt bedeutet das für ein freifeldentzerrtes Mikrofon, dass wir bei einer Messung im Raum mit all seinen Reflexionen ein verfälschtes Höhenbild erhalten, sobald wir uns außerhalb des Direktschallfeldes befinden und das Diffusfeld überwiegt. Denn nun besitzt einerseits das natürliche Klangbild im Raum schon weniger Höhen, außerdem verzerrt die zunehmende Richtwirkung zu hohen Frequenzen hin das Messergebnis.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es nicht entscheidend ist, ob das verwendete Mikrofon nun eine Diffusfeld- oder Freifeldentzerrung besitzt. Entscheidend ist, dass man es weiß und entsprechend bei der Messung oder der Interpretation der Messergebnisse berücksichtigen kann.
Audio-Interface
Für die Messung reicht im Prinzip ein einfaches einkanaliges Audio-Interface mit einem Mikrofoneingang samt Phantomspeisung. Da allerdings die meisten Apps für Audiomessungen mit einem Referenzsignal arbeiten, ist ein zweikanaliges Audio-Interface besser geeignet. Einen großen Preisunterschied macht das ohnehin nicht. Die meisten günstigen Interfaces werden per USB an den Computer angeschlossen. In der Regel handelt es sich um USB 2, auch wenn die Schnittstelle bei aktuellen Interfaces oft mit USB C angegeben ist.
Möchten wir mit iPads oder iPhones mit Lightning-Anschluss anstelle eines Laptops arbeiten, ist nicht nur wichtig, dass das Audio-Interface USB Class Compliant ist, sondern auch entweder eine eigene Stromversorgung mitbringt oder aber über einen zwischengeschalteten aktiven USB-Hub mit Strom versorgt wird. Die Apple-Geräte stellen in der Regel nicht genügend Strom über den Lightning-Anschluss zur Verfügung, um ein Audio-Interface samt Phantomspeisung zu betreiben. Außerdem würde das den Akku schnell leeren.
Es gibt für Apple Mobilgeräte auch Interfaces, die einen direkten Anschluss über ein Lightning-USB-Kabel ermöglichen. Das spart das zusätzlich zu erwerbende Apple Camera Connection Kit. iPad Pro-Modelle mit USB C-Anschluss benötigen kein Apple Camera Connection Kit. Hier ist die direkte Kabelverbindung möglich. Die Stromversorgung muss jedoch auch hier über einen USB-Hub oder ein Netzteil am Interface erfolgen.
Software
Neben kostenpflichtigen Produkten wie Smaart von Rational Acoustics oder Fuzzmeasure von Rode sticht vor allem ein kostenloses Produkt hervor: Room EQ Wizzard, kurz REW. Diese Software bringt eigentlich alle Features mit, die für das Einmessen einer PA benötigt werden:
- Frequenzgangmessung
- Phasenmessung
- RT60 Messung
Die Software erlaubt zudem, mehrere Messungen anzufertigen, miteinander zu vergleichen oder zu mitteln. Glättungsalgorithmen von 1/48 Oktave bis 1/1 Oktave sowie verschiedene Fensterungen gehören selbstverständlich ebenfalls mit dazu.
Die Software REW erlaubt zudem das Laden von Kalibrierungsdateien für das Messmikrofon und hat eine eigene Kalibrierungsfunktion für das Audio-Interface integriert.
Neben der Darstellung des Frequenzverlaufs als zweidimensionales Frequenzgang-Diagramm mit der Frequenz auf der x-Achse und dem Pegel auf der y-Achse, bietet REW auch die Darstellung als Spektogramm und als Wasserfalldiagramm. So lassen sich vor allem Raummoden sehr gut sichtbar machen und beurteilen. Per RT60 lässt sich das Nachhallverhalten des Raumes über den gemessenen Frequenzbereich beurteilen.
Aufbau des Messsystems
Nun ist es an der Zeit, das Messsystem einmal aufzubauen und zu testen. Ich gehe davon aus, dass du als Software REW einsetzt. Doch auch andere Programme funktionieren ähnlich, sodass du keine Probleme damit haben solltest, das Gesagte zu übertragen.
Mikrofonkabel
Zunächst einmal ist es wichtig, für die Messung ein Stativ zu verwenden. Da es immer sinnvoll ist, beim Einmessen einer PA mehrere Messungen an verschiedenen Punkten im Raum durchzuführen, solltest du auch ein sehr langes Mikrofonkabel bereithalten oder mehrere XLR-Kabel ineinander stecken. In sehr großen Räumen kommen vom Messplatz aus schnell viele Meter Kabel zusammen, die benötigt werden. Mindestens mehrere 10 Meter-Kabel oder eine Rolle mit 30 bis 50 Meter XLR-Kabel sollten es schon sein. Du möchtest schließlich nicht für jede Messung den gesamten Messplatz umbauen.
Ausrichtung des Messmikrofons
Bei der Ausrichtung des Messmikrofons prallen mehrere Philosophien aufeinander und im Endeffekt ist es dir selbst überlassen, welche du verwendest, solange du dir der Effekte bewusst bist. Bei der Messung von Subwoofer-Kanälen, die den Schall in der Regel kugelförmig abstrahlen, messen viele Techniker mit dem Missmikrofon am Boden. Manche legen es dazu auf ein Stück Schaumstoff direkt auf den Boden, andere positionieren es mit dem Stativ nah am Boden. Einige lassen es mit ein bis zwei Zentimeter Abstand mit der Spitze (0°) nach unten auf den Boden zeigen, wieder andere richten diese zum Subwoofer hin aus.
Bei der Messung der Mittel-Hochton-Lautsprecher richten viele Techniker das Mikrofon mit der Spitze (0°) direkt auf den Lautsprecher, andere richten es um 90° gedreht zur Decke zeigend aus und wieder andere nutzen einen Tisch und lassen es mit der Spitze auf den Tisch zeigen, um eine Grenzfläche zu simulieren.
Welchen Vorteil bringt es, das Mikrofon auf den Boden zu legen oder einen Tisch zu nutzen und es auf diesen zu richten?
Bei Messungen im Raum wirken sich Reflexionen durch Wände, Boden und Decke direkt auf das Messergebnis aus. Bei sehr kurzen Abständen einer Reflexionsfläche zum Mikrofon führt die geringe Laufzeit des Schalls von der Reflexionsfläche zum Mikrofon in Verbindung mit dem Direktsignal zu Kammfiltereffekten (regelmäßige Auslöschungen und Anhebungen im Frequenzgang, die zackig wie ein Kamm aussehen). Reduziert man diesen Abstand auf einen Wert nahe Null, schiebt man die Kammfiltereffekte außerhalb des Messbereichs.
Nun hören wir aber bei einer Veranstaltung selten die Signale mit dem Ohr am Boden ab, sodass es durchaus Sinn macht, auch auf Ohrhöhe zu messen. Manche Techniker nutzen deshalb bei einem sitzenden Publikum einen Tisch am Messpunkt.
Wieder andere richten das Mikrofon nach oben. Hier ist zu beachten, dass das Verhalten des Mikrofons bei 90° bekannt sein muss. Ist es das nicht, ist die Ausrichtung nach oben kritisch zu sehen, da dann nicht vorhergesagt werden kann, wie sich das Mikrofon in diesem Fall verhält. Gewählt wird diese Aufstellung gerne, um den Einfluss des Raumes auf das Übertragungssystem zu messen.
Persönlich bevorzuge ich die Messung auf einem Stativ auf Ohrhöhe mit Ausrichtung auf den Lautsprecher bei stehendem Publikum. Für die Messung eines Subwoofers positioniere ich das Mikrofon am Boden. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass später das Publikum Reflexionen am Boden verhindert (sofern es zahlreich erscheint).
Messpositionen
Überlege, welche Messpositionen sinnvoll sind. Natürlich gehört der Bereich dazu, in dem sich der Techniker während der Veranstaltung aufhält, also der FoH-Platz. Führe dort die erste Messung durch. Ein bis zwei weitere Messungen sollten direkt im Nahbereich der Lautsprecher erfolgen, wo der Direktschall überwiegt. Sie geben dir einen guten Eindruck über das Wiedergabeverhalten des Lautsprechers. Vergrößere von dort ausgehend sowohl den Abstand als auch den Winkel zum Lautsprecher. Je nach Raumgröße kommen so schnell viele Messpunkte zusammen. Messpunkte direkt an einer Wand führen zu keinen aussagekräftigen Ergebnissen, da hier Kammfiltereffekte überwiegen. Du kannst also auf solche Messpunkte verzichten. Bei einem symmetrischen Raum reicht es aus, Messungen mit einem der beiden PA-Lautsprechern durchzuführen (ein symmetrischer Aufbau der Lautsprecher vorausgesetzt). In der Regel wird man ohnehin beide Lautsprecherseiten gleich mit dem EQ bearbeiten.
Bei der Auswahl der Messpositionen sollte auch das Ohr eine Rolle spielen. Lässt man Musik oder Rosa Rauschen über die PA abspielen und schreitet den Raum ab, wird man schnell Punkte ausfindig machen, an denen es gravierend anders klingt. Diese kann man für eine Messung nutzen, um eventuelle Probleme ausfindig machen zu können.
Interface und Einstellungen
Das Messmikrofon wird in der Regel mit Kanal 1 des Audio-Interface verkabelt (Phantomspeisung einschalten!) Der zweite Kanal wird mit Ausgang 2 (rechts) verkabelt. Hierzu nutzt man meistens ein kurzes Patch-Kabel. Dieser Loopback-Kanal liefert uns ein Referenzsignal und dient zugleich der Kalibrierung unseres Audio-Interface.
Diese Kalibrierung haben wir im Optimalfall schon zu Hause durchgeführt. Sie besteht aus einer einfachen Loopback-Messung des Audio-Interface zusammen mit einer Ermittlung der Latenz, also der Verzögerungszeit zwischen Eingang und Ausgang bei einer zuvor eingestellten Sampling Rate (die dann auch im Nachhinein genutzt werden muss!)
Die so erstellte Kalibrierungsdatei wird vor der Messung in das Messsystem geladen (bei REW gibt es dafür einen eigenen Menüpunkt). So kann das Messsystem den Frequenzgang und das Verhalten des Audio-Interface bei der Messung berücksichtigen und später aus dem Messsignal des Mikrofons herausrechnen. Bei der Beurteilung von Laufzeiten ist zudem die Latenz wichtig, denn diese würde sonst das Ergebnis verfälschen und zur falschen Einstellung des Delays führen.
Vor der Messung führen wir zudem einen Lautstärkeabgleich durch. In REW gibt es dazu eine eigene Testfunktion. Das Referenzsignal und das Testsignal des Mikrofons sollten ungefähr gleich laut sein. REW beurteilt die Signallautstärke automatisch und zeigt an, ob Änderungen diesbezüglich erforderlich sind. Denke daran, dass sehr hohe Signalpegel auf der PA zu Beschädigungen von Treibern führen können und auch dein Gehör unnötig belasten. Ist das Signal laut Mess-Software zu leise, erhöhe zunächst den Pegel am Interface etwas.
Nun kann die Messung durchgeführt werden. Es empfiehlt sich, einen eindeutigen Namen zu vergeben, zum Beispiel zusammengesetzt aus Lautsprecher, Veranstaltungsort und Messpunkt. So kann man bei einer erneuten Veranstaltung an diesem Ort schnell alte Messergebnisse als Referenz wieder aufrufen.
REW schickt bei der Messung einen Filter Sweep durch das System, der dann mit dem Mikrofon wieder aufgezeichnet und per FFT analysiert wird. Daraus errechnet sich eine Impulsantwort, die auf vielfältige Weise Daten liefert wie den Frequenzgang, das Nachhallverhalten, Phase, Laufzeiten und vieles mehr.
Analyse der Messergebnisse
Goldene Regel: Sagt dir dein Ohr etwas anderes als die Messergebnisse, hat das Ohr immer Recht und die Messergebnisse lügen. In solchen Fällen liegt oft ein Messfehler zugrunde, der korrigiert werden muss. Behauptet dein Messergebnis zum Beispiel, dass die PA überhaupt keine Höhen liefert, die PA sich aber für dich im Höhenbereich normal anhört, kontrolliere die Einstellungen des Messsystems und dessen Komponenten.
Hast du mehrere Messungen angefertigt, betrachte zunächst die Einzelmessungen und vergleiche sie mit der Messung im Direktschallfeld des Lautsprechers. Sind im Direktschallfeld des Lautsprechers deutliche Überhöhungen zu finden, sollten diese auch in den anderen Messungen mehr oder weniger sichtbar sein. Es handelt sich hier nicht um Raumeinflüsse, sondern um am EQ korrigierbare Überhöhungen. Alles, was sich hingegen nur in den Messungen im Diffusschallfeld findet, ist auf Raumeinflüsse zurückzuführen. Überhöhungen in diesen Messungen sind selten stationär, sie sind an einigen Punkten zu finden, an anderen Messpunkten hingegen nicht. Diese kann man nicht über einen EQ ausgleichen!
Da die Raumeinflüsse dennoch Einfluss auf das Hörerlebnis haben, berücksichtigen wir sie, indem wir die Messergebnisse der einzelnen Messungen mitteln. Vergleiche die Mittelung immer auch mit der Messung im Direktschallfeld des Lautsprechers.
Es macht keinen Sinn, einen ungeglätteten Frequenzschrieb zu betrachten. Stelle die Glättung auf mindestens 1/12 Oktave, besser 1/6 Oktave. Zur Einstellung eines Terzband-EQs nutzt du 1/3 Oktave. Einzelne schmale Einbrüche und verschwinden nun. Diese sind meistens ohnehin nicht relevant, weil sie durch Raumeinflüsse entstehen, die wir nicht beheben können. Interessanter ist alles, was wir nun sehen.
Im Idealfall sind die Bässe unterhalb 120 Hz stärker ausgeprägt als der Mittenbereich und die Höhen oberhalb von 8 bis 10 kHz ebenfalls etwas verstärkt. Begründen lässt sich das anhand der Kurven gleicher Lautstärke (ISO 226). Diese zeigen, dass das Gehör für mittlere Frequenzen deutlich empfindlicher ist als für hohe und tiefe Frequenzen.
Ist der Mittenbereich im einem Toleranzbereich von ±1.5 bis max. ±3 dB linear, ist meistens kein weiterer Eingriff notwendig. Zeigen sich hier im Mittenbereich starke Anhebungen, sind dies Resonanzen, die später zu Problemen mit Rückkopplungen führen können und außerdem das Klangbild deutlich verfälschen.
Fällt der Bassbereich unterhalb von 120 Hz deutlich ab, sind entweder die Subwoofer unterdimensioniert, das Lautstärkeverhältnis zwischen Subwoofer und Hi/Mid-Systemen nicht korrekt eingestellt oder die Trennfrequenz stimmt nicht. Hier sollten zunächst die Einstellungen am Systemcontroller oder der Systemelektronik im Subwoofer überprüft werden, bevor man am EQ dreht. Ein kleiner 10″, 12″ oder 15″ Basslautsprecher wird aber selten kräftige Signale unterhalb von 60 Hz liefern (Ausnahmen gibt es bei speziellen Bauformen von Subwoofern). In einem solchen Fall hilft nur das Aufstocken im Bassbereich durch größere Subwoofer. Wichtig ist auch immer, dass die Endstufenleistung stimmt. Eine Endstufe, deren Limiter dauerhaft läuft, weil sie zum Betrieb der Subwoofer an ihrer Leistungsgrenze arbeitet, wird auch keinen kräftigen Bass liefern und somit ist dieser auch in der Messung nicht enthalten. Im Zweifelsfall hilft es, mal das Datenblatt des Subwoofers näher zu betrachten und (Ehrlichkeit des Herstellers bei den Angaben vorausgesetzt) die dort gemachten Angaben bei der Betrachtung der Messergebnisse zu berücksichtigen.
Es ist immer besser, am EQ abzusenken als anzuheben. Ein schmaler Einbruch irgendwo im Tiefmittenbereich oder Mittenbereich kann die Trennfrequenz darstellen. Dies lässt sich leicht überprüfen, indem man diese entweder testweise verschiebt oder Subwoofer und Hi/Mid-System einzeln misst.
Jede Änderung mit dem EQ sollte kritisch hinterfragt werden. Heutige Aktivsysteme sind von den Herstellern sorgfältig eingestellt worden. Liefert ein System weniger Bass als gewohnt, ist vielleicht einfach ein falsches Preset geladen (der Klassiker: der Controller steht auf dem “Speech” Preset). Wummert der Bass ungewohnt? Oft ist ebenfalls ein falsches Preset (gerne “DJ” genannt) Schuld daran. Wummert der Bass aber nur an einigen Positionen im Raum, während an anderen Positionen kaum Bass zu hören ist, sind das Raummoden, die sich bemerkbar machen. Eine Messung an diesen Punkten spürt diese auf. Im Wasserfall-Diagramm zeigt sich an den Wummer-Positionen ein langes Nachschwingen. Viel machen kann man in solchen Fällen nicht, sondern nur hoffen, dass die Veranstaltung ausverkauft ist und durch den Wegfall einer reflektierenden Fläche (Boden) sich einige nervende Moden weniger deutlich auswirken. Es macht natürlich keine Sinn, bei diesen Frequenzen am EQ zu drehen.
Klingt der Lautsprecher im Nahbereich sehr gut, in einiger Entfernung allerdings nicht, liegt es am Raum oder der Aufstellung der Lautsprecher. Das Ausrichten der Lautsprecher auf das Publikum (Boxen auf Stativen etwas neigen) wird später helfen, solche Effekte zu verringern. In sehr großen Räumen kann man zudem durch das Nutzen von Lautsprechern, die nach dem Line Array-Prinzip (Linienstrahler) arbeiten, das Direktschallfeld für verschiedene Frequenzbereiche etwas erhöhen. Alternativ helfen kleinere verzögerte Lautsprecher (Delay Line), den gleichen Effekt zu erzielen.
Kommt es bei einer Kontrollmessung mit beiden Lautsprechern zu starken Auslöschungen im Frequenzgang, ist wahrscheinlich die Polarität eines Lautsprechers falsch. Gerne sind hier Kabel Schuld (Lautsprecherkabel bei passiven Lautsprechern oder XLR-Kabel bei aktiven Systemen).
Zeigt REW über den Frequenzbereich sehr hohe Nachhallzeiten an (RT60), hilft nur die Ausrichtung der Lautsprecher auf das Publikum. Meistens reduziert sich die Nachhallzeit eines Raumes ohnehin drastisch durch das Publikum. Das zusätzliche Ausrichten der Lautsprecher auf das Publikum sorgt nicht nur für eine erheblich bessere Wiedergabe im Hochmitten- und Höhenbereich, sondern auch für eine Reduzierung der “schädlichen” Raumeinflüsse.
Sind Subwoofer und Hi/Mid-System nicht auf einer vertikalen Linie aufgestellt, kommt es zu Laufzeitunterschieden, die ausgeglichen werden müssen. Mit einer Messung lässt sich ein solcher Versatz ermitteln und per Delay der Lautsprecher, der näher am Publikum ist, entsprechend verzögern. In der Messung sollte der Versatz zwischen dem Impuls und der Impulsantwort für Subwoofer und Hi/Mid-System gleich sein. Das Ausgleichen der Laufzeit führt zu einer besseren Definition.