Grundlagen: Was macht ein Kompressor?
Hast du dich auch schon immer gefragt, was eigentlich ein Kompressor macht? Kompressoren werden oft wie mysteriöse Tools dargestellt, deren Gebrauch unverzichtbar ist. Ich entmystifiziere für dich den Kompressor und stelle dir die Grundlagen in diesem Artikel vor, die du benötigst, um ein Kompressor zu verstehen und zu benutzen.
Weniger dynamisch, bitte!
Die Aufgabe eines Kompressors ist es, die bisweilen große Dynamik einer musikalischen Darbietung einzuschränken. Als Dynamik bezeichnen wir den Abstand der lautesten Stelle eines Tonsignals zur leisesten Stelle eines Tonsignals. Auch jedes Aufnahmemedium hat eine eigene Dynamik (Systemdynamik). Gemeint ist hier der Abstand zwischen dem Rauschen und der Verzerrungsgrenze bei sehr lauten Signalen (Signal-Rauschabstand oder Signal-to-Noise Ratio). Die maximale Dynamik einer Audio-CD beträgt zum Beispiel 96 dB (dB = Dezibel). Unser Ohr kann im gesunden Zustand eine Dynamik von ungefähr 130 dB abbilden. Eine Vinylschallplatte bringt es auf gerade einmal 40 dB. Bei einem großen Symphonieorchester geht es auch ordentlich zur Sache und somit kann es sein, dass die Dynamik der Musik die Systemdynamik des Aufnahmemediums deutlich überschreitet.
Der Kompressor wurde entwickelt, um Musikdynamik und Systemdynamik aneinander anzugleichen, indem die vielfach höhere Dynamik der Musik auf ein Maß innerhalb der Systemdynamik eingeengt wird. Durch die Digitaltechnik ist das heutzutage im Prinzip nicht mehr notwendig. Ein moderner 24 Bit-Wandler hat einen theoretischen Dynamikumfang von 144 dB. Dennoch gibt es gute Gründe dafür, die musikalische Dynamik einzuengen – zu komprimieren.
Kompressor
Der Kompressor engt also die Dynamik eines ihm zugespielten Musiksignals ein. Wie macht er das genau?
Ein Kompressor senkt alle Pegel über einer einstellbaren Schwelle und ein ebenfalls einstellbares Maß ab. Laute Signale werden also leiser gemacht. Leise Signale hingegen werden im Pegel angehoben. Auf diese Weise engt der Kompressor also die ursprüngliche Dynamik des Musiksignals ein.
Die Schwelle, bei deren Überschreiten der Kompressor zu arbeiten beginnt, nennt man Threshold. Das Maß, um das der Kompressor nach dem Überschreiten des Thresholds den Pegel absenkt, wird als Verhältnis angegeben und heißt Ratio. Die Pegelreduktion, die dadurch erreicht wird, nennen wir Gain Reduction. Um leise Signalanteile zu verstärken, heben wir das Signal um das Maß der Gain Reduction am Ausgang wieder an. Dieser Parameter wird Makeup Gain genannt.
Die Zeit, die vergeht, bis der Kompressor nach dem Überschreiten des Thresholds tätig wird, nennen wir Attack. Die Zeit, die der Kompressor nach dem Unterschreiten des Thresholds noch um die eingestellte Ratio absenkt, wird Release genannt. Beide zusammen definieren die Hüllkurve des Kompressors (Envelope).
Der Übergang zwischen Kompression und Bypass am eingestellten Threshold kann hart oder weich erfolgen. Ein weicher Übergang klingt oft angenehmer. Dieser Parameter wird als Knee bezeichnet und oft kann er zwischen Hard Knee und Soft Knee umgeschaltet werden.
Klang eines Kompressors
In der Theorie soll ein Kompressor für den Hörer unhörbar arbeiten. In der Praxis ist die klangliche Veränderung des Signals durch den Kompressor jedoch durchaus gewünscht. Kompressoren lassen sich technisch unterschiedlich verwirklichen – mit einem VCA (Voltage Controlled Amplifier), einer Röhre oder einer Foto-Diode (Opto-Kompressor). Auch eine digitale Umsetzung ist möglich. Alle Kompressoren haben aufgrund ihrer technischen Realisation unterschiedliche Kennlinien und auch eine verschiedene klangliche Wirkung. Insbesondere auch Bauteile außerhalb des Regelkreises des Kompressors bestimmen den Klang. So zum Beispiel Transformatoren im Eingang und Ausgang, wie sie einige Kompressoren und vor allem Vintage-Geräte besitzen.
Eine deutliche klangliche Auswirkung hat auch das Regelverhalten des Kompressors, das wir durch die Attack- und Release-Zeiten bestimmen können. Es macht einen deutlichen Unterschied, ob bei einer Bass Drum der Kompressor sofort regelt oder nach einigen Millisekunden. Regelt er sofort, drückt er auch die wichtigen Transienten zu Beginn eines Klangs weg. Regelt er erst nach einigen Millisekunden, lässt er die Transienten unbearbeitet durch und bearbeitet nur den Rest des Klangs. Möchte man zum Beispiel das Sustain einer Gitarre oder eines Basses verlängern, wählt man die Attack-Phase etwas länger und stellt eine lange Release-Zeit ein, sodass der Kompressor den bereits im Ausklang befindlichen Sound der Gitarre oder des Basses anhebt.
Sehr kurze Regelzeiten führen in Verbindung mit einer starken Kompression zu einem Pumpeffekt. Dieser kann, je nach Musikrichtung, durchaus gewollt sein. Oftmals wird er dann zum Tempo der Musik synchronisiert. In der Regel wird man diesen Effekt aber vermeiden wollen.
Die meisten Kompressoren verfügen über eine automatische Ermittlung der Regelzeiten. Diese bietet sich vor allem immer dann an, wenn der Kompressor möglichst unhörbar arbeiten soll, zum Beispiel bei der Aufnahme von Gesang. Hier sollen vielleicht nur einige wenige Signalspitzen abgefangen werden. Später beim Mix findet dann die eigentliche Kompression statt, die dann vielleicht auch eine deutlichere klangliche Auswirkung hat. Auch beim Bearbeiten von Subgruppen-Signalen oder auf dem Mix-Bus ist die automatische Regelung der Attack- und Release-Zeiten eine Empfehlung.
Gain Reduction und Makeup Gain
Wie oben bereits angedeutet gibt es eine Beziehung zwischen der Gain Reduction und dem Makeup Gain. Die Pegelreduzierung durch den Kompressor wird durch das Makeup Gain wieder ausgeglichen. Erst durch diesen Schritt werden die leisen Signalanteile, die also weit unterhalb des Thresholds liegen, angehoben. Der Kompressor selbst arbeitet also durch die Gain Reduction am oberen Ende der Signaldynamik, das Makeup Gain, das den Pegelverlust wieder ausgleicht, am unteren Ende.
Beachte beim Einstellen des Kompressors also die Gain Reduction Anzeige und stelle das Makeup Gain so ein, dass dessen Verstärkung in Dezibel ungefähr der durchschnittlichen Gain Reduction entspricht. Nutze den Bypass-Schalter des Kompressors, um das bearbeitete und unbearbeitete Signal miteinander zu vergleichen. Es sollten keine großen Pegelsprünge durch das Makeup Gain entstehen. Das Signal sollte aber durch das Verringern der Signalspitzen kompakter klingen.
Ratio
Die Ratio gibt das Verhältnis zwischen dem unbearbeiteten und bearbeiteten Signal nach Überschreiten des Thresholds an. Eine hohe Ratio bedeutet eine stärkere Kompression, eine Ratio von ∞:1 entspricht einer Limitierung. Der Kompressor arbeitet dann als Limiter. Eine Ratio von 2:1, 3:1 oder 4:1 ist für die meisten Instrumente oder Gesang ausreichend. Bei Bass darf es auch schon mal heftiger zur Sache gehen und 6:1 oder 12:1 kommen je nach Spielweise durchaus vor. Manche Kompressoren besitzen keine einstellbare Ratio. Die Ratio selbst ist fest. Die Stärke der Kompression wird dann über den Threshold-Regler oder den Input-Regler bestimmt.
Beim Limiting werden Signale oberhalb des Thresholds nicht um den einstellbaren Betrag im Pegel reduziert, sondern hart im Pegel auf den eingestellten Threshold begrenzt. Signalspitzen werden also abgeschnitten. Limiting kann zum Beispiel dann sinnvoll sein, wenn das Überschreiten einer Grenze (zum Beispiel 0 dB FS bei Digitalaufnahmen) zu Verzerrungen führen würde. Beim Rundfunk arbeitet ein Sendelimiter zum Begrenzen der zu sendenden Signale. Limiting kann genutzt werden, um die Lautheit eines Signals stark zu erhöhen (Brickwall Limiter).
Alles vintage: Welcher Kompressor für welches Signal?
Wie eingangs erwähnt gibt es viele verschiedene Kompressortypen: VCA, Opto, Röhre, FET. So manches berühmtes Vintage-Modell ist in erster Linie durch denjenigen berühmt geworden, der es verwendet (und manchmal sogar entwickelt) hat. Neben den Nachbauten diverser Vintage-Klassiker spielen vor allem Software-Emulationen heute eine große Rolle (wenn nicht sogar eine tragende Rolle) im Tonstudio. Da diese Plugins meistens für wenig Geld zu haben sind, lohnt es sich, einmal einen Blick auf die diversen Vintage-Klassiker zu werfen, die den Klang der immer noch jungen Popmusikgeschichte mit geprägt haben:
Eines der berühmtesten Modelle stammt von Toningenieur, Produzent und Entwickler Bill Putnam (Frank Sinatra, Ray Charles, Duke Ellington und viele mehr): Der berühmte UREI 1176 Peak Limiter, ein FET (Feldeffekttransistor) Kompressor. Ihn zeichnen extrem schnelle Attack-Zeiten aus. Er wird gerne bei perkussiven Instrumenten (Schlagzeug), Bass und Gesang eingesetzt.
Unter den Opto-Kompressoren sticht der Teletronix LA2A Leveling Amplifier. Er gilt als sehr gutmütiger und musikalischer Kompressor und wird deshalb gerne überall dort eingesetzt, wo die Kompression möglichst “unhörbar” sein soll, zum Beispiel beim Gesang, aber auch auf Subgruppen oder einem kompletten Mix.
Ein waschechter Röhrenkompressor ist der Fairchild 670. Röhren sind nicht-lineare Bauteile und ihre speziellen Eigenschaften sorgen für den “Klang” dieses Kompressors. Seine durch die Röhren langsame Attack-Zeit macht ihn zum Favoriten auf dem Mix-Bus oder einer Subgruppe. Auch Gesang oder flächenartige Keyboard Sounds mag der Fairchild 670.
Bleiben noch die VCA-Kompressoren. Bei einem VCA-Kompressor ist der Voltage Controlled Amplifier der Herr über die Dynamik. Da sich bei einem VCA die Kompressor Envelope, also die Attack- und Release-Zeiten im Prinzip frei bestimmen lassen, sind VCA-Kompressoren die Alleskönner unter den hier vorgestellten Bauweisen. Insbesondere die extrem schnellen Ansprechzeiten machen sie zu beliebten Tools für Drums. Einer der berühmtesten VCA-Kompressoren ist der dbx 160 Kompressor.
Natürlich gibt es noch viele weitere Modelle, doch die hier genannten Kompressoren sind diejenigen, die am häufigsten von Software emuliert werden. In einigen großen Tonstudios kann man diese Kompressoren noch als Hardware bestaunen. Im Zuge des Analog-Revivals findest du auch zahlreiche moderne Nachbauten am Markt, die wesentlich erschwinglicher sind als ein seltenes Vintage-Original. Insbesondere der Hersteller Warm Audio hat in der Vergangenheit einige analoge Klassiker wiederauferstehen lassen. Gerade für das Tracking, also die Aufnahme, kann ein UREI 1176 oder ein Teletronix LA2A beziehungsweise deren Nachbauten gewinnbringend eingesetzt werden.
Fazit
Kompressoren sind aus der Tontechnik nicht mehr wegzudenken. Während sie im Live-Betrieb vor allem in digitaler Form eine Rolle spielen (oftmals direkt integriert ins Digitalpult), kommen sie im Tonstudio auch noch in analoger Form vor. Hier werden gerne auch Plugins eingesetzt, die alte Vintage-Kompressoren emulierten. Es macht deshalb Sinn, sich mit den Hardware-Vorbildern etwas vertraut zu machen und zu wissen, was die speziellen Eigenschaften dieser Geräte waren. Doch Regeln gibt es keine und jede Regel ist dazu da, gebrochen zu werden. So ist der berühmte “All buttons mode” des UREI 1176 kein bestimmungsgemäßer Gebrauch des Geräts und doch gerade im Bereich der parallelen Kompression beliebt. Doch dazu mehr in einem eigenen Artikel.