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Notenlesen für Einsteiger

Von den Anfängen zum Vom-Blatt-Spiel

Hat das Notenlesen noch seine Berechtigung? Einige Gedanken

Sicher hast auch du schon einmal jemanden getroffen, der scheinbar jedes noch so schwere Stück vom Blatt spielen kann. “Profi müsste man sein”, war da bestimmt einer deiner Gedanken.

Zunächst einmal kann gar nicht jeder professionelle Musiker vom Blatt spielen oder überhaupt Noten lesen. Es gibt viele berühmte Musiker, die keine Noten lesen können. Trotzdem haben sie sich durch ihre Musik und ihr technisches Können am Instrument unsterblich gemacht.

Insbesondere bei Gitarristen ist es schwer, diese vom Notenlesen zu überzeugen. Heutzutage gibt es jedes nur erdenkliche Lied oder Gitarrensolo als Gitarrentabulatur transkribiert, sodass es unnötig erscheint, sich mit der Notenschrift herumzuplagen. Schließlich bietet die Gitarrentabulatur alle Angaben, die man als Gitarrist benötigt, um ein Stück exakt nachzuspielen. Genauer betrachtet ist die Gitarrentabulatur sogar viel exakter als die herkömmliche Notation mittels Notenlinien und Noten, da sie nicht nur die genau Position des jeweiligen Tons auf der Gitarre vorgibt und den zu spielenden Rhythmus, sondern auch die vielen für die Gitarre spezifischen Spielweisen berücksichtigt. Die Standardnotation ist diesbezüglich der Gitarrentabulatur leider unterlegen oder muss entsprechend durch weitere Angaben erweitert werden.

Dennoch bietet das Notenlesen noch viele attraktive Vorteile, die man nicht vergessen darf.

Zu nennen wäre zum Beispiel die Harmonielehre, die sich durch das lesen von Noten viel einfacher verstehen und erfassen lässt als durch die Gitarrentabulatur, anhand derer sich der Abstand zwischen zwei Tönen, das sogenannte Intervall, nur sehr schlecht ablesen lässt.

Wer das Notenlesen beherrscht ist zudem nicht davon abhängig, speziell für Gitarre geschriebene Tabulaturen zu nutzen, sondern kann auf seinem Instrument jede notierte Melodie spielen, auch die, die für andere Instrumente aufgeschrieben wurden.

Zuletzt sei erwähnt, dass man mit etwas Übung Ideen viel leichter mit der Standardnotation komplett ohne Instrument notieren kann als mit der Tabulaturschreibweise.

Aller Anfang ist leicht

Notenlesen hat viel weniger mit dem Auswendiglernen zu tun als du vielleicht glaubst. Wahrscheinlich kennst du andere Musiker, die während ihrer Kindheit erst lange einzelne Noten und Notenwerte auswendig lernen mussten, bevor sie die ersten Töne am Instrument spielen durften. Das war einmal und heute unterrichtet niemand mehr so (zumindest hoffe ich das).

Notenlesen lernt man in der Praxis und nicht in der Theorie. Notenlesen ohne Instrument ist wie das Lesenlernen ohne Buch und spannende Geschichte. Es ist sinnlos und macht auch keinen Spaß. Wer hat diese Erfahrung nicht in der fünften bis siebten Klasse im Musikunterricht gemacht? Während bei den Schülern, die privat ein Musikinstrument erlernen, offenbar alles kein Problem war, haben sich andere mit dem Erlernen der Notenschrift und der Musiktheorie schwer getan und den Musikunterricht in der Schule verflucht. Das liegt aber nur an der Methode und nicht am Notenlesen oder der Musiktheorie.

Im heutigen Musikunterricht lernen wir anders. Du spielst erst das Lied und lernst nebenbei, die Noten zu lesen. Am Anfang orientierst du dich vielleicht an Griffbildern, an Fingersetzen und an anderen Hilfsmitteln. Vielleicht stehen dort die Tonnamen und auf den Tasten hast du diese ebenfalls aufgeklebt. Immer allgegenwärtig ist aber das Notenbild, das aber zu Beginn für dich noch weniger Bedeutung besitzt.

Nach und nach werden die Hilfsmittel reduziert. Mal fehlt irgendwo ein Fingersatz, mal ein Notenname als Angabe. Irgendwann fehlen Diagramme, die dir zeigen, wo die Finger hingehören. Niemals fehlt allerdings die Notenschrift. Du wirst irgendwann das Fehlen der Hilfsmittel gar nicht mehr bemerken, weil du längst Notenlesen kannst. Du hast das Notenlesen erlernt, ohne es bewusst zu tun. Das ist fast so schön wie das Vokabelheft unter das Kopfkissen zu legen, nur hier funktioniert es!

Tipps & Tricks

Für deinen eigenen Weg hin zum Notenlesen bekommt du hier einige Tipps, die dir dabei helfen sollen:

  • nutze jedes Hilfsmittel! Schreibe dir Tonnamen mit Bleistift über oder neben die Noten. Schreibe dir Fingersätze dazu. Klebe dir die Notennamen auf die Tastatur, nutze zusätzlich zur Standardnotation die Gitarrentabulatur, wenn du Gitarrist bist. Sprich beim Spielen die Tonnamen der Töne laut aus, die du gerade spielst.
  • nutze Apps zum Notenlesenlernen. Eine sehr gute App für Apple Smartphones und Tablets ist zum Beispiel die App “Flashnote Derby”, die ich dir an anderer Stelle genauer vorstellen werde.
  • schau dir an, wie das Notensystem funktioniert. Es ist ein ganz einfaches System! Mehr dazu erfährst du im nächsten Artikel.
  • Schreibe selbst Noten auf. Das muss gar kein Lied sein. Du kannst Notenschrift wie eine Geheimschrift nutzen und damit Worte chiffrieren, zum Beispiel das Wort Affe, Bach, Eis oder Fisch.
  • Reduziere mit der Zeit die Hilfsmittel. Du wirst sehen, du brauchst sie nicht mehr. Es ist wie beim Fahrradfahren mit und ohne Stützräder. Am Anfang geben sie Sicherheit, doch irgendwann sind sie nicht mehr erforderlich. Man wird es aber nie herausfinden, wenn man sie nicht abmontiert!
  • mach so viel Musik wie möglich! Lass dir eigene kleine Melodien einfallen. Gitarristen kennen das als Lick oder Riff. Überlege dir, welche Töne du spielst und wie man sie aufschreiben könnte. Nutze dazu wieder Hilfsmittel wie Notensatzprogramme. Verbinde das Keyboard oder E-Piano mit dem Computer oder tippe die Melodie auf der virtuellen Tastatur der Software ein. Gitarristen finden in Guitar Pro eine ideale Software. Dort kannst du deine Ideen einfach über eine virtuelle Gitarre einspielen. Schau dir anschließend an, was die Software daraus macht und wie das Notenbild aussieht.
  • Musizieren geht vor Studieren! Lerne durch Musizieren und nicht durch das Auswendiglernen schnöder Theorie. Wer beides miteinander verbinden kann, ist später der bessere Musiker.

Wie geht es weiter?

Wenn der Anfang erst einmal gemacht ist, du die ersten fünf bis acht Töne sicher erkennst und auch einfache Rhythmen dir erschließen kannst, ist der Rest nicht mehr schwer und kommt ganz von selbst. Dafür sorgt unser Gehirn. Erinnerst du dich noch an das Lesenlernen in der ersten Klasse? Am Anfang gleicht das Lesen eher dem Buchstabieren. Buchstaben werden erkannt und zu Lauten zusammengesetzt. Irgendwann ähnelt die Lautfolge einem Wort, das du kennst und es macht Klick! Aha, da steht Auto! So ist es auch beim Notenlesen.

Unser Gehirn liebt Muster. Auf einem Raster mit 99 abgedruckten Einsen wirst du ohne Probleme in wenigen Sekunden die Sieben erkennen, obwohl 1 und 7 sich sehr ähnlich sind. Unser Gehirn prägt sich Zusammenhänge sehr gut ein und auch in der Musik gibt es bestimmte wiederkehrende Muster so wie in einem Buch Worte immer und immer wiederkehren. Nach einer kurzen Zeit erkennst du sie sofort und setzt nicht mehr die Buchstaben zu Lauten und diese zu Worten zusammen. Genauso funktioniert das Notenlesen und das Vom-Blatt-Spiel. Wer gut vom Blatt spielen kann, hat viel musiziert und dabei die Noten des Musikstücks vor Augen gehabt. Der Musiker hat das Klangbild mit dem Notenbild verknüpft und wird beim nächsten Entdecken eines Musters in der Notenschrift sofort wissen, was am Instrument zu tun ist, weil er das Muster schon tausendmal gesehen und gespielt hat, ebenso wie wir das Wort Auto schon tausendmal gelesen haben. Der Schlüssel zum Vom-Blatt-Spielen ist die Wiederholung!

Hier knüpfe ich wieder an Karate an (oder jede andere Kampfkunst), denn ohne tausende Wiederholungen einer Technik oder einer Technikkombination, zum Beispiel in Form einer Kata, wird diese niemals flüssig gelingen und schon gar nicht im Ernstfall reflexartig abrufbereit sein. Wir lernen durch Wiederholung und durch das Verstehen. Aber das Verstehen allein reicht nicht aus, die Wiederholung ist der Schüssel zum Erfolg. Entdecke beim Spielen von Musik Muster, entdecke sie musikalisch, entdecke sie in den Noten. Wiederhole sie immer und immer wieder. Suche gezielt in dir unbekannten Noten nach diesen Mustern – du wirst sie finden und die betreffenden Passagen schnell erlernen können.

Vom-Blatt-Spielen heißt nicht, ein gänzlich unbekanntes Stück fehlerfrei zu spielen, sondern das, was vorher erlernt wurde, in einem Stück zu entdecken und das bereits Erlernte am Instrument abzurufen. Das reine Notenlesen reicht nicht aus, um gut vom Blatt spielen zu können. Es hilft dir zwar, aber ohne das Erkennen erlernter Muster wirst du das niemals beherrschen.

Trainiere dein Gehör

Gehörbildung und Vom-Blatt-Spielen gehen Hand in Hand. Wer auf ein Notenbild schaut und dabei ein Klangbild im Kopf entstehen lassen kann, wird es auch spielen können. Wenn im Kopf kein Klangbild beim Anblick einer musikalischen Tonfolge in Notenschrift entsteht, ist flüssiges Vom-Blatt-Spielen nicht möglich. Auch Gehörbildung kann man nebenbei üben wie das Notenlesen selbst. Der Schlüssel dazu lautet Gesang. Spiel eine Tonfolge und sing sie nach. Sing sie auch beim Spielen mit. Lege irgendwann das Instrument zur Seite und sing, was du vorher gespielt hast. Verfolge dabei die Noten.

Sing Liedanfänge. Typische Liedanfänge haben oft einen Auftakt mit Quart- oder Quintsprüngen. Sing Tonleitern! Dur- und Moll-Tonleitern sind die Grundlage der meisten Stücke. Üb das Singen von Halb- und Ganztonschritten. Nimm dazu das Instrument und spiele zunächst den Tonschritt, singe ihn dann nach. Kontrolliere dich, indem du beides gleichzeitig macht: spielen und singen. Übe das Singen einer Kleinen und einer Großen Terz. Diese sind die Grundlage von Akkorden. Begib dich danach an die großen Intervalle: Sexte (Kleine Sexte, Große Sexte), Septime (Kleine Septime, Große Septime), Oktave. Wenn du die Intervalle bis zur Oktave sicher singen kannst, versuch dich an einer großen None. Sing immer in einer für dich bequemen Tonlage.

Ein guter Tipp ist das Singen von Kinderliedern und Volksliedern nach Noten. Starte mit einfachen Stücken, die du schon kennst. Nimm dir die Noten und sing die Melodien zunächst ohne Instrument. Wenn du nicht weiterkommt, nimm das Instrument zur Hand. Leg es wieder weg, sobald du wieder weiter weißt.

Starte mit dem lauten Singen und sing das Lied nach einiger Zeit nur noch in Gedanken. Nimm nun ein dir unbekanntes Lied, sing es in Gedanken und versuch, es auf deinem Instrument mitzuspielen. Mach das ganz intuitiv. Fingersätze und Spieltechnik sind jetzt uninteressant. Es geht einzig und allein darum, die Verbindung zwischen dem Notenbild, der Melodie in deinem Kopf und dem Instrument zu schaffen. Je regelmäßiger du das übst, desto besser wirst du werden und schneller!

Schon nach wenigen Trainingseinheiten solltest du erste kleine Erfolge feststellen und nach einigen Wochen einfache Stücke vom Blatt spielen und singen können! Schwierigere Stücke sollten nun leichter und schneller für dich erlernbar sein. Dokumentiere immer deine Fortschritte, denn oftmals sieht man diese selbst gar nicht.

Zusammenfassung

Das Notenlesen zu erlernen ist nicht schwer. Jeder kann das und es dauert auch nicht lange. Der Weg zum Notenlesen ist das Musizieren. Hilfsmittel jeglicher Art sind erlaubt. Apps bieten eine tolle Möglichkeit, das Notenlesen spielerisch zu erlernen. Kannst du erste einmal etwas Notenlesen, führt der weitere Weg zum Vom-Blatt-Spiel über Muster häufig gespielter Tonfolgen oder Rhythmen. Schule zugleich dein Gehör, denn Gehörbildung und Vom-Blatt-Spielen gehen Hand in Hand. Forciere nichts und lass dich nicht entmutigen. Dokumentiere deine Fortschritte und du wirst sehen, dass du schneller voranschreitest als du denkst.

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