Praxis: Musikerleben als Sideman
Nicht jeder Musiker ist festes Mitglied einer Band im Sinne eines gleichberechtigten und entscheidungsbefugten Mitglieds. Viele Musiker arbeiten als Sideman, als “Hired Gun”. Was es damit auf sich hat und wie sich die Position als Sideman von der eines festen Bandmitglieds unterscheidet, erfährst du in diesem Artikel.
Hired Gun: Berufsmusiker als Sideman
Mit Hired Gun ist hier nicht der Auftragsmörder, der Killer gemeint, sondern der Mietmusiker, der im Hintergrund eines Stars oder Sternchens spielt. Die meisten Berufsmusiker sind Freiberufler und arbeiten nicht ausschließlich als feste Mitglieder einer Band oder besser: einer GbR. Zum Thema Band und GbR gibt es einen eigenen Artikel. Mehr dazu findest du hier. Stattdessen arbeiten viele Profis für andere Künstler und werden von diesen dafür bezahlt, für sie innerhalb einer Band zu spielen.
Manchmal sind es bekannte Stars, für die man als Sideman spielt. Solche Jobs sind vor allem gut für die eigene Vita und ziehen aufgrund der Kontakte und des Bekanntheitsgrades der Musiker weitere Jobs nach sich.
Viel öfter sind es jedoch auch kleinere bis mittelgroße Besetzungen, in denen Profis als Sideman spielen. Tribute Bands, Cover Bands oder Show Bands. Oft gibt es in solchen Bands einen Band Leader oder Tribute Artist, der für eine Tour oder Festival-Auftritte im Sommer eine Band zusammenstellt und dafür auf Profis zurückgreift, die ihm empfohlen wurden. Auch hier ist der Musiker nicht festes Mitglied der Band, es besteht keine GbR mit Mitbestimmungsrechten, sondern eben ein beauftragter Freiberufler.
Vorteile als Sideman
Das Spielen als Sideman hat einige Vorteile, die für Musiker in einer Band als GbR nicht gelten:
- als Sideman hat man keinerlei Verantwortung außerhalb des eigenen musikalischen Bereichs
- das finanzielle Risiko trägt der Auftraggeber
- es bestehen keinerlei Verpflichtungen, einen Auftrag anzunehmen oder immer und überall zur Verfügung zu stehen, auch wenn das manche Auftraggeber anders sehen
- du bist nicht dem Veranstalter gegenüber verpflichtet, sondern nur deinem Auftraggeber
- Streitigkeiten mit dem Veranstalter berühren dich nicht
- es gibt kaum einen organisatorischen Aufwand
- es gibt keine regelmäßigen Proben, zu denen du erscheinen musst
Nachteile als Sideman
Es gibt jedoch auch einige Nachteile, die dem Sideman bewusst sein sollten:
- du hast keinen oder wenig künstlerischen Einfluss auf die Darbietung
- die Gesamtqualität der Darbietung liegt nicht in deiner Hand
- du hast keinen Einfluss auf die Auswahl der Veranstaltungsorte und der Bedingungen vor Ort
- dein Honorar ist immer fest, unabhängig von der Zahl der verkauften Karten
- du hast keinen Einfluss auf die Vertragsgestaltung zwischen deinem Auftraggeber und dem Veranstalter
- du spielt unter Umständen oft mit wechselnden Musikern zusammen, einen Zusammenhalt wie bei einer herkömmlichen Band gibt es nicht
- du bist leicht zu ersetzen
Man darf keinen Hehl daraus machen: Je nach Auftraggeber vermiesen die Nachteile dem Sideman den Job. Ich habe schon in einigen Besetzungen gespielt, bei denen ich im Nachhinein gehofft habe, dass niemand im Publikum ist, den ich kenne. Auch bei manchen Presseberichten war ich froh, nicht namentlich genannt oder auf dem Zeitungsfoto abgelichtet worden zu sein. Diese Fremdschämmomente kommen leider oft vor, wenn man als Sideman unterwegs ist. So hast du nicht in der Hand, was der Künstler, für den du gerade spielst, zwischen den Songs zum Publikum sagt. Du hast auch die Qualität seiner Performance nicht in der Hand. Auch abseits der Bühne liegen einige Dinge außerhalb deines Zugriffs: Schäbige Hotelzimmer, dreckige Garderoben im Backstage-Bereich, fehlende Parkplätze am Veranstaltungsort, kein Catering und vieles mehr sind Dinge, von denen Musiker, die oft als Sideman unterwegs sind, ein Lied singen können.
Einen großen Nachteil müsste man der Liste eigentlich noch hinzufügen: Das Publikum und auch der Veranstalter wissen oft nichts davon, dass du als Sideman gebucht bist und sie nicht eine feste Bandbesetzung sehen. So wird man als Sideman oft mit Fragen vom Veranstalter bombardiert, wenn man vorm Auftraggeber am Veranstaltungsort ist (was leider häufig vorkommt). Stößt dem Veranstalter etwas negativ auf, greift sich dieser auch oft den gerade an der Ecke stehenden Musiker anstelle des tatsächlich Verantwortlichen (auch leider mehrfach erlebt). Das Publikum beurteilt oft auch die Band gemeinsam mit dem Künstler: mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen.
Und doch...
Die Arbeit als Sideman ist für die meisten professionellen Musiker Alltag und die hier beschriebenen Nachteile leider auch allzuoft die Realität. Dennoch hat es auch Vorteile, wenn man nicht in einer verantwortlichen Position arbeitet. Wie der Arbeitnehmer mit vielen schwierigen Prozessen im Alltagsgeschäft eines Unternehmens nichts zu tun hat, hat der freiberufliche Musiker als Sideman mit den organisatorischen Seiten des Business nichts zu tun – und auch mit den finanziellen nicht. Zumindest sollte das so sein.
Leider reicht so mancher Auftraggeber die Verantwortung gerne mal an die von ihm beauftragten Musiker weiter: Gerade während der Corona-Pandemie wurden viele Shows kurzerhand abgesagt. Selbst als das Spielen auf der Bühne wieder möglich war, hat sich so mancher Veranstalter bei nicht ausverkauften Häusern versucht, aus der Verantwortung zu stehlen. Wurde hier nicht vertraglich ein Ausfallhonorar vereinbart, ist der gebuchte Künstler mitsamt der von ihm beauftragten Musiker leer ausgegangen. In meinem Fall hat das zum Beispiel zu massiven finanziellen Einbußen geführt. Als Sideman hat man aber keinen Einfluss auf die Vertragsgestaltung, auf Absprachen oder überhaupt auf die geschäftlichen Dinge.
Oft besteht zwischen den professionellen Musikern und dem sie beauftragenden Künstlern auch nur eine mündliche Absprache. Ein Anruf, ein Termin, eine Zusage – mehr nicht. Wer als Sideman spielt, sollte also zumindest eine Buchungsbestätigung per Email und auch eine Bestätigung für die vereinbarte Gage erhalten oder diese selbst verschicken mit dem Wortlaut “Vielen Dank für die Buchung am Datum für die Veranstaltung Titel für die vereinbarte Gage von xxx Euro.” Sind Fahrtkostenerstattungen oder ähnliches vereinbart, sollte man das auch besser gleich mit in die Email schreiben. Zwar kommen Verträge auch mündlich zustande und sind rechtlich bindend, allerdings ist es ungleich schwieriger bis unmöglich, die Vertragsbedingungen im Streitfall nachzuweisen.
Möchte man als Sideman gebucht werden, sollte man natürlich die Kirche im Dorf lassen und nicht einen mehrseitigen Vertrag aufsetzen. Wer das macht, wird schlicht nicht mehr gebucht. Aber eine simple Absicherung mit einem Satz sollte dennoch drin sein und vom beauftragenden Künstler auch gegeben werden. Bei bekannten Künstlern, die von Managern vertreten werden, sieht das anders aus. Hier werden in der Regel vom Management Verträge mit den Musikern über eine Tour abgeschlossen und die Bedingungen festgezurrt.
Abschließende Tipps
Jobs als Sideman dienen oft als nicht unbedeutende Einnahmequelle für professionelle Musiker. Außerdem ist der Kontakt zu den anderen Musikern, die man bei solchen Jobs als Sideman kennenlernt, nicht zu unterschätzen und manchmal mehr wert als die Gage selbst.
Dennoch sollte man sich nicht unter Wert verkaufen und im Zweifelsfall überlegen, ob die Grenze vom Sideman zu einem vollwertigen Bandmitglied nicht überschritten wird, wenn man unentgeltlich weitere Aufgaben übernimmt oder plötzlich das Risiko des Auftraggebers mitträgt. Im Zweifelsfall sollte man sich bei Kollegen erkundigen und dort um Rat fragen, die sicherlich ihrerseits vielfältige Erfahrungen als Sideman gemacht haben. Lass dir Termine und die verabredete Gage samt Spesen immer noch einmal schriftlich bestätigen, sodass du im Streitfall etwas in der Hand hast. Recherchiere außerdem etwas zu unbekannten neuen Auftraggebern oder frage bei anderen Musikern nach ihren Erfahrungen. So bleibt vielleicht mancher Ärger erspart.