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Praxis: Mit Noten auf die Bühne?

Die meisten ausgebildeten Musiker können Noten lesen. Das ist sehr praktisch, wenn man einen neuen Song vorbereiten will. Doch wie sieht auf der Bühne aus? Wie sinnvoll ist es, Noten mit auf die Bühne zu nehmen?

Wie viel Sinn machen Noten auf der Bühne?

Vorteile von Noten auf der Bühne

Jedes Orchester benutzt Noten auf der Bühne, auch die Big Band nutzt sie und viele professionelle Musiker sieht man ebenfalls mit Noten. Welchen Vorteil bringt das Spielen nach Noten auf der Bühne? Zunächst einmal geben Noten, die einem vom Musical Director oder Arrangeur festgelegten Arrangement folgen, der Musik einen Rahmen. Sie bekommt eine Form.

Der Vorteil ist außerdem, dass Musiker sich  leicht anhand der Noten verständigen können, da Taktzahlen, Kennzeichnungen von Formteilen, Wiederholungszeichen, Sprungmarken wie Coda-Zeichen und mehr vorhanden sind. Das macht insbesondere kurzfristige Absprachen beim Soundcheck einfacher und auch Ansagen vom MD über das In Ear Monitoring während der Show sind für alle präzise.

Für die einzelnen Musiker, die als Sideman in sehr vielen verschiedenen Besetzungen spielen und in rascher Folge sehr unterschiedliche Programme, sind Noten ebenfalls hilfreich, um sich die zu spielenden Parts eines Songs wieder in Erinnerung zu rufen. Das ist weniger relevant bei Songs, die schon eintausendmal auf der Bühne performt wurden, aber umso wichtiger für Songs, die nicht so oft gespielt werden.

So wie beim Orchester oder der Big Band der einzelne Musiker einen Stimmenauszug für sein Instrument aus dem Gesamtarrangement erhält, spielen Bandmusiker in der Regel mit Lead Sheets. Mehr zum Thema Lead Sheet findest du in gesonderten Artikeln. Das Lead Sheet gibt die Form des Songs, seine Harmonik und verschiedene wichtige Parts wieder. Meistens genügt ein solches Lead Sheet, um den Song zu spielen. Die Musiker selbst füllen dann die Lücken entsprechend mit den Parts, die sie vorbereitet haben. Auch für Jam Sessions sind Lead Sheets hilfreich und für die Arbeit im Studio sowieso.

Nachteile von Noten auf der Bühne

Einer der größten Nachteile ist, dass die Performance unter dem Einsatz von Noten wahnsinnig leidet. Unter Umständen klammern sich die Musiker an die Noten und blicken selten mal ins Publikum oder zu ihren Bandkollegen. Für den Zuschauer ergibt das ein seltsames Bild, zumindest dann, wenn es sich um Pop- oder Rockmusik handelt. Beim Orchester mit seinen komplexen Werken ist das Spiel nach Noten viel eher akzeptiert. Man kennt es auch nicht anders.

Ähnlich ist es mit Telepromptern für Sängerinnen und Sänger. Auch hier besteht die Gefahr, dass diese zum unverzichtbaren Tool werden und der Musiker sich so sehr an sie gewöhnt, dass er ohne sie nicht mehr singen kann.

Ein weiterer Nachteil ist, dass je nach Arrangement die Musik statischer klingt, weil jeder Part genau festgelegt ist. Das muss natürlich nicht so sein und beim Spielen nach Lead Sheets bleiben den Musikern genügend Freiheiten für Improvisationen.

Meine eigene Erfahrung

Ich habe eine sehr umfassende Ausbildung an meinen Instrumenten erhalten und kann natürlich Noten lesen. Trotzdem habe ich als Jugendlicher und junger Musiker selbst bei abendfüllenden Programmen über fünf oder sechs Stunden die meisten Stücke auswendig gespielt. Maximal Texte mit Akkorden waren in meiner Bandmappe zu finden. Regelmäßige Bandproben (meistens mindestens zweimal wöchentlich) haben zusätzlich zu den Auftritten für reichlich Spielpraxis gesorgt.

Verändert hat sich all das mit dem Musikstudium und Sideman-Tätigkeiten. Feste Bandbesetzungen und regelmäßige Proben gehörten nun der Vergangenheit an. Wechselnde Programme sind ein weiterer Faktor. All das hat dazu geführt, dass Noten auf der Bühne für mich immer wichtiger wurden (zum meinem Leidwesen). Zwar bin ich mir sicher, dass ich nach wie vor auch ohne Noten durch viele Songs käme, allerdings fühle ich mich sofort unsicher, wenn ich die Lead Sheets nicht griffbereit habe. Ein Totalausfalls meines Apple iPads während einer Show ist eine Horrorvorstellung und wäre für mich der Supergau. Schon oft habe ich überlegt, Songs wieder auswendig zu lernen, doch meistens fehlt dazu schlicht die Zeit. Kurzfristige Programmänderungen und viel weniger Spielpraxis mit einer Besetzung kommen hinzu.

Bei meinen Kollegen mache ich ähnliche Beobachtungen. Auch hier hängen viele, die regelmäßig Sideman Jobs spielen, an Noten. Einige wenige Kollegen verzichten darauf, doch oftmals kommt es dann bei den wenigen Proben oder beim Soundcheck zu Verständigungsproblemen, weil die Noten als gemeinsame Grundlage fehlen. Während die Musiker mit Noten sich über Taktzahlen oder Formteile unterhalten, ist den anderen Musikern nicht klar, worüber gerade geredet wird. Ähnlich ist es oft auch bei Akkorden.

Meine persönliche Empfehlung: Habt die Noten als Sideman immer griffbereit, auch wenn ihr die Show später auswendig spielt. Absprachen sind so viel einfacher zu treffen. Außerdem kannst du sie direkt in den Noten notieren und hast sie so auch bei einem wiederholten Einsatz sofort wieder vor Augen. Wenn du die Songs sehr gut auswendig spielen kannst, spricht nichts dagegen, das auch zu tun. Für den gemeinsamen Soundcheck oder eine Probe sind Noten jedoch eine wichtige Grundlage und sollten deshalb auch genutzt werden.

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