Ratgeber: In Ear Monitoring für Einsteiger
In Ear Monitoring (kurz IEM) gehört zu den wohl wichtigsten Errungenschaften der Beschallungstechnik. In diesem Grundlagenartikel erfahrt ihr alles zum Thema In Ear Monitoring und was ihr benötigt, um selbst auf IEM umzusteigen.
In Ear Monitoring
Das Monitoring über Kopfhörer ist schon sehr alt. Im Studio gehört es sprichwörtlich zum guten Ton, weil so das Übersprechen des Playbacks auf das Mikrofon vermieden werden kann. Auf der Bühne hat In Ear Monitoring vielfältige Gründe:
- Kein Übersprechen von Bühnenmonitoren auf die Mikrofone
- Keine Rückkopplungen zwischen Bühnenmonitoren und Mikrofonen
- Besserer Klang für das Publikum durch die erheblich geringere Bühnenlautstärke
- Besserer Klang für die Musiker durch individuelle Mischungen
- Gehörschutz
- Einspielung von Signalen, die das Publikum nicht hören soll. Dazu gehören zum Beispiel der Click eines Metronoms oder Ansagen durch den Musical Director oder eine aufgenommene Guide-Stimme
Schon in den 1970er Jahren haben Musiker auf der Bühne mit Kopfhörern gespielt, weil zum Beispiel zu einem Playback gespielt werden sollte und deshalb ein Metronom-Click mitlaufen musste. Der Weg zum drahtlosen In Ear Monitoring wurde schließlich durch Stevie Wonder geebnet, der als blinder Musiker darauf angewiesen war, dass möglichst wenige Kabel als Stolperfallen auf der Bühne liegen. Sein Monitortechniker hat daraufhin einen handelsüblichen Radio-Transmitter und -Receiver für das drahtlose Monitoring umgebaut. Aus dieser Bastelaktion wurde schließlich ein marktreifes Produkt.
Exkurs: Heute hören Musiker nicht mehr mit großen Kopfhörern ab, sondern mit kleinen Ohrsteckern, die in der Ohrmuschel sitzen. Daher auch der Name „In Ear Monitoring“. Diese kleinen Kopfhörer werden auch In Ear-Kopfhörer genannt, während die großen Studio- oder Hifi-Kopfhörer, die über der Ohrmuschel sitzen, als On Ear-Kopfhörer bezeichnet werden.
Technische Voraussetzungen
Anders als bei konventionellen Bühnenmonitoren ist es beim In Ear Monitoring sehr wichtig, dass jeder Musiker seinen eigenen Mix bekommt. Jedes Ohr ist so individuell wie ein Fingerabdruck und somit hört auch jeder Musiker etwas anders. Außerdem ist das häufig auch der Hauptgrund, warum Musiker verschiedene In Ear-Kopfhörer verwenden. Was bei einem Musiker gut im Ohr hält und vernünftig klingt, fällt dem anderen Musiker ständig bei jeder Bewegung des Kiefers aus dem Ohr oder klingt schlecht. Sitzt ein Hörer nicht vernünftig, macht sich das sofort durch einen massiven Verlust der Bässe bemerkbar. Bassisten und Drummer benötigen außerdem oft einen etwas tiefer reichenden Frequenzgang als der Gitarrist, Keyboarder oder die Sänger.
Damit jeder Musiker einen eigenen Mix bekommen kann, benötigen wir pro Musiker mindestens einen Pre-Fader Ausspielweg am Mischpult (= Pre-Fader Aux). Pre-Fader bedeutet, dass das Signal vor dem jeweiligen Kanal-Fader abgegriffen wird und deshalb von dessen Position unbeeinflusst bleibt. Das ist äußerst wichtig, denn sonst würde jeder Veränderung am Saalmix auch den In Ear Mix beeinflussen. Möchten die Musiker mit Stereo-In Ear Monitoring arbeiten, werden sogar zwei Pre-Fader Aux-Wege pro Musiker benötigt. Schon bei einer kleinen Band kommen somit bereits zahlreiche Aux-Wege zusammen.
Moderne Digitalpulte eignen sich besonders gut als Monitormischpulte für IEM, da sie häufig über acht oder mehr Ausspielwege verfügen und deren Abgriff sich flexibel von Post-Fader auf Pre-Fader umschalten lässt (und umgekehrt). So bietet schon ein günstiges Behringer XR18 Digitalpult acht XLR-Ausgänge, von denen sechs als Aux-Wege genutzt werden können. Damit ließen sich also bis zu sechs Musiker mit einem Mono-Mix versorgen. Doch es geht noch mehr: Über die integrierte Ultranet-Schnittstelle können über die Behringer Powerplay P16-M Personal Monitoring Mischpulte bis zu 48 weitere individuelle Mixes erzeugt werden. Zusammen mit den sechs Aux-Wegen käme man somit auf 54 individuelle Mischungen für das Monitoring!
Nutzt man nur die analogen Aux-Ausgänge eines Behringer XR18, erstellt jeder Musiker seinen Mix bequem per App (iOS/Android). Kauft man hingegen die Behringer P16-M Personal Monitoring Mischpulte, steckt der Musiker seinen Kopfhörer direkt in diese Geräte und der Mix wird direkt am P16-M erstellt. Das ist insbesondere für Schlagzeuger und Keyboarder eine tolle Sache, da diese ohnehin an einen Ort gebunden sind und demzufolge auch kein drahtloses IEM benötigen. Den Rest der Band versorgt man dann drahtlos über die Aux-Ausgänge.
Drahtloses In Ear Monitoring
Sänger, Gitarristen und auch Bassisten nutzen meistens besser drahtloses In Ear Monitoring. Dafür benötigt man passende Funkstrecken. Diese gibt es von Herstellern wie Sennheiser, Shure, Audio Technica, LD Systems und anderen in verschiedenen Preisklassen. Schon einfach Systeme für wenig Geld erfüllen ihren Zweck, sind allerdings nicht ganz so störanfällig wie teurere Systeme von Sennheiser oder Shure. Manchmal ist auch der Frequenzgang eingeschränkt, sodass gerade Bassisten darauf achten sollten, dass tatsächlich auch alle Frequenzen bis zu 20 Hz hinunter sauber übertragen werden.
Eine Funkstrecke für IEM besteht aus einem Sender, der zumeist in ein Rack eingebaut werden kann, und einem Empfänger, der in Form eines sogenannten Body Packs an der Kleidung getragen wird. Dazu verfügen diese Empfänger über einen Gürtel-Clip. Man kann sie aber auch in spezielle Taschen stecken, die dann zum Beispiel per Stretch-Band mit Klettverschluss am Körper befestigt werden. Das ist insbesondere dann sinnvoll, wenn es keinen Gürtel an der Hose oder Gitarrengurt gibt, an dem der Empfänger befestigt werden könnte. Sängerinnen mit Kleidern können ein Lied davon singen.
Der Sender wird nun an den Aux-Weg des Mischpults angeschlossen. Für ein monofones Signal wird nur ein Aux-Weg benötigt, soll stereo abgehört werden, müssen zwei Aux-Wege verwendet werden. Achtung: Am Sender muss die richtige Betriebsart (mono/stereo) ausgewählt werden.
Sender und Empfänger müssen auf dem gleichen Kanal funken. Das ist nicht anders wie bei CB-Funkgeräten. Meistens gibt es mehrere Kanalgruppen und innerhalb einer Kanalgruppe mehrere Kanäle zur Auswahl. Wichtig: Man sollte bei der Verwendung mehrerer Funkstrecken gleichzeitig immer nur Kanäle einer Kanalgruppe nutzen, da diese vom Hersteller so angelegt sind, dass sie interferenzfrei miteinander agieren.
Am Empfänger muss ebenfalls eingestellt werden, ob dieser mono, stereo oder im Fokus-Betrieb arbeitet. Der Fokus-Betrieb ist eine Besonderheit bei IEM-Systemen, auf die ich gleich noch näher eingehen möchte. Ist alles richtig eingestellt, sollte am Empfänger noch der hoffentlich vorhandene Limiter aktiviert werden, damit zu hohe Pegel begrenzt werden. Das schützt das Gehör und trotz IEM kann es immer noch zu Rückkopplungen über das FoH-System (die Lautsprecher für das Publikum) kommen. Der Limiter begrenzt diese hohen und schädlichen Pegel.
Zum Schluss muss nun noch der Pegel am Mischpult, am Sender und am Empfänger richtig eingestellt werden. Erstellt zunächst einen Rough Mix für den euch zugewiesenen Aux-Weg am Mischpult. Zieht nun den Aux Send Master Fader auf (zum Beispiel auf -6 dB). Am IEM Sender sollte nun ein Signal ankommen, dass ihr mit dem Input-Regler aussteuern könnt. Achtet darauf, dass auch hier der Pegel nicht zu hoch ist. Ein maximaler Pegel von -6 dB ist durchaus ausreichend und lässt noch etwas Luft nach oben für Signalspitzen. Zuletzt dreht ihr nun den Lautstärkeregler am Empfänger auf. Ihr solltet (hoffentlich) ein Signal hören. Viele Sender und Empfänger haben Displays mit einer Pegelanzeige. Hier könnt ihr nicht nur die Signalstärke der Funkstrecke ablesen, sondern auch den jeweils anliegenden Audiopegel. Diese Pegelanzeigen sind ein gutes Hilfsmittel für die Aussteuerung und Fehlersuche.
Fokus Betriebsart
Eine Besonderheit vieler IEM Funkstrecken ist die Fokus Betriebsart. Bei der Fokus Betriebsart läuft das IEM-System im Stereobetrieb. Allerdings übertragen wir kein Stereosignal, sondern zwei Monosignale. Eine Seite übernimmt den kompletten Mix minus 1. Mix minus 1 bedeutet, dass hier jedes Instrument übertragen wird außer dem eigenen Instrument. Auf dem zweiten Kanal legen wir das eigene Instrument. Das kann entweder per Aux-Weg aus dem Mischpult geschehen oder zum Beispiel das Signal einer DI-Box sein. Am Empfänger schalten wir nun die Fokus Betriebsart ein und können nun über einen Balance-Regler das Lautstärkeverhältnis zwischen beiden Kanälen einstellen. So ist es schnell möglich, eine „More me“-Funktion zu realisieren. Statt also das eigene Instrument bei Bedarf im Gesamtmix lauter zu machen, erledigen wir dies einfach bequem per Balance-Regler am Empfänger.
Dual Mono
Eine weitere Möglichkeit ist es, mit einem Sender zwei Empfänger mit zwei Mono-Mixes zu versorgen. Der Sender läuft dabei im Stereo-Betrieb, während die beiden Empfänger im Mono-Betrieb arbeiten. Über den Balance-Regler am Empfänger entscheiden wir nun, welchen der beiden Mixes wir hören möchten. Insbesondere für IEM-Einsteiger, die nicht sofort viel Geld für die Funkstrecken investieren möchten, ist das eine interessante Variante. Haben sich alle Musiker auf Mono-Mixes geeinigt, wird ohnehin nur ein Sender für zwei Empfänger benötigt.
Beide Empfänger arbeiten dabei auf der gleichen Frequenz. Sie empfangen auch immer beide Mixes und nur der Balance-Regler entscheidet schließlich darüber, welcher Mix vom Empfänger auf den Kopfhörer gegeben wird.
Welche Ohrhörer?
Es gibt viele verschiedene IEM-Hörer am Markt. Natürlich könnte man einfach ein günstiges Modell nutzen, das man auch in der Freizeit zum Musikhören verwendet. Der Nachteil auf der Bühne ist der schlechtere Sitz in der Ohrmuschel und außerdem die schlechte Außendämpfung. Je schlechter die Außendämpfung ist, desto mehr hört man alles, was so im Raum passiert, also auch Instrumente aus Instrumentenverstärkern, das Schlagzeug oder die reflektierten Signale der PA. Je mehr man von außen hört, desto lauter muss der IEM-Mix auf dem Ohrhörer sein. Das wiederum schädigt auf Dauer das Gehör.
Besser ist es also, spezielle IEM-Hörer zu verwenden. Diese sind hinsichtlich des Sitzes im Ohr und der Kabelführung an die Aufgabe In Ear Monitoring angepasst. Günstige Hörer gibt es von Shure, Sennheiser und anderen Herstellern. Noch besser sind individuell angepasste Ohrpassteile. Dazu wird ein Abdruck vom Ohr und vom äußeren Gehörgang genommen. Anhand dieses Abdrucks wird dann ein individuelles Ohrpassstück gefertigt, das nur genau in das Ohr des jeweiligen Musikers passt und dort perfekt sitzt. Hier reibt nichts, hier fällt nichts heraus. Das Ohr ist gegenüber Außengeräuschen maximal abgeschottet und der Gesamtpegel kann gering gehalten werden. Anbieter für solche Systeme sind Hearsafe, Ultimate Ears, Vision Ears und andere. Erste Systeme sind ab circa 400€ erhältlich. Dies ist eine sehr gute Investition für alle Musiker, die sehr regelmäßig mit In Ear Monitoring spielen – für Profis sowieso.
Modulare IEM-Systeme wie die Hearsafe Concha 2 Passstücke lassen sich mit verschiedenen Hörersystemen bestücken, die einfach in das Ohrpassstück geklickt werden. Auch Ambience-Bohrungen, die sich mit Filtern verschiedener Stärke verschließen lassen, sind möglich. So kann der Musiker selbst bestimmen, wie viel er noch von außen mitbekommen möchte. Das ist insbesondere für Sänger eine gute Sache. Auch die Kommunikation mit dem Publikum fällt dann leichter. Alternativ kann man auch sogenannte Audience-Mikrofone aufbauen, die die Publikumsreaktionen aufzeichnen und deren Signale nur auf den Ohrhörern zu hören sind.
Fazit
In Ear Monitoring ist eine tolle Sache. Der Monitor-Sound ist nicht mehr vom Raum abhängig, die Bühne wird leiser, der FoH-Mix besser und auf die Dauer schont richtig eingesetztes In Ear Monitoring auch das Gehör. In Ear Monitoring kann kabelgebunden erfolgen oder drahtlos. Günstige Funkstrecken erlauben einen guten Einstieg in das drahtlose IEM, ohne gleich ein zu tiefes Loch in die Tasche zu reißen. Wer regelmäßig mit IEM spielt, sollte über individuell angepasste Ohrpassstücke nachdenken, die nicht nur besser im Ohr sitzen, sondern auch das Ohr gut gegenüber Störschall von außen abschließen. Für die notwendigen individuellen IEM-Mischungen bieten sich moderne Digitalpulte an, die oftmals per App von den Musikern fernsteuerbar sind und hinsichtlich der Ausstattung mit Aux-Wegen den meisten analogen Mischpulten gleicher Preisklasse deutlich überlegen sind. Schon mit einfachen Digitalpulten wie einem Behringer XR18 lassen sich bis zu 54 IEM-Mischungen erzeugen (mit der entsprechenden Anzahl P16-M und Ultranet). Die Kosten für IEM sind also überschaubar und oftmals nicht höher als gute Monitorboxen für alle Musiker.