Bist du ein guter Musiker?
Was macht einen guten Musiker aus?
Fragt man beliebige Menschen, was denn wohl einen guten Musiker ausmacht, wird man oft folgende Antworten bekommen:
- Ein guter Musiker übt viel
- Ein guter Musiker beherrscht sein Instrument
- Ein guter Musiker weiß alles über Musik
- Ein guter Musiker braucht ein sehr gutes Gehör
- Ein guter Musiker schreibt tolle Songs
- Ein guter Musiker weiß, wie man Musik arrangiert
Diese Liste ließe sich noch weiter fortsetzen. Doch ist es wirklich das, was einen guten Musiker ausmacht?
Musik löst Emotionen aus
Warum machen wir überhaupt Musik? Wir spielen ein Instrument, um uns zu entspannen. Wir spielen vielleicht auch ein Instrument, weil es uns glücklich macht oder weil wir mit unserer Musik andere glücklich machen. Beim Musizieren und auch beim Musikhören geht es also um Emotionen. Die Gefühle, die Musik in Menschen, ob es nun der aktiv musizierende oder der passiv hörende ist, auslöst, sind ein entscheidendes Kriterium
Ich möchte deshalb an dieser Stelle einen entscheidenden Punkt ins Spiel bringen, der auf der Liste oben fehlt und vielleicht nur wenigen Menschen in den Sinn kommt:
Ein guter Musiker löst Emotionen aus
Ein guter Musiker löst Emotionen aus, nicht nur bei anderen, sondern auch bei sich selbst. Schaut man mal auf berühmte Persönlichkeiten der Musikgeschichte, ist es nicht immer der Musiker, der perfekt sein Instrument beherrscht, der auch Emotionen auslöst. Es ist nicht zwingend der Musiker, der seinen Tag mit dem Üben am Instrument verbringt, der auch starke Emotionen in sich oder anderen auslöst.
Für viele Berufsmusiker gehört das Üben zum Job, es ist eine Pflicht wie für andere Menschen die Arbeiten, die im Büro anfallen. Während vielleicht der Laie Freude beim Üben empfindet, ist es für Berufsmusiker manchmal auch einfach nur eine Notwendigkeit für den Broterwerb. Das ist oft ganz schön anstrengend und die Emotionen, die dabei ausgelöst werden, sind dann auch schon mal negativer Natur. Das Üben gehört natürlich dazu, aber es ist nicht der entscheidende Teil, der am Ende des Tages darüber entscheidet, ob ich als Musiker einen guten Job gemacht habe.
Vielmehr sind es beim Berufsmusiker die Emotionen, die er mit seiner Musik bei seinem Publikum auslöst. Geht das Publikum am Ende eines Konzertes mit vielen positiven Emotionen nach Hause, hat der Musiker einen guten Job gemacht und ist ein guter Musiker. Ob er dafür nun als Konzertpianist schwerste klassische Literatur mit hoher Virtuosität dargeboten hat oder als Singer Songwriter die Leute mit Stimme und Akustikgitarre mit einfachen Akkorden unterhalten hat, ist absolut irrelevant. Das Ergebnis zählt: Die Emotionen, die mit der Musik ausgelöst wurden.
Ein technisch anspruchsvolles Stück, das mit hoher Virtuosität vorgetragen wurde, garantiert noch keine Emotionen beim Publikum. Vielleicht war die Darbietung beeindruckend, doch was hat sie im Zuhörer bewegt außer vielleicht Erstaunen? Was wirkt nach? Welchen Mehrwert hat die Musik für den Hörer (und den Musiker) geschaffen?
Gute Musiker schaffen einen Mehrwert
Ein guter Musiker erschafft mit seiner Musik einen Mehrwert für sich und für andere. Menschen hören sich Musik mit einer bestimmten Erwartungshaltung an. Für Konzertgänger ist die Erwartungshaltung eine andere als beim Autofahrer, der Musik während der Fahrt hört. Doch jedes Hören von Musik geschieht in der Erwartung, dass die Musik einen positiven Effekt auf den Hörer hat. Löst Musik keine positiven Emotionen in uns aus, wird sie als Krach empfunden oder zumindest als störend. Ein Künstler sucht sich mit seiner Musik ein Publikum, das seine Musik gut findet, Hörer, in denen die Musik positive Emotionen auslöst. Er schafft mit seiner Musik also einen Mehrwert für andere – und damit auch für sich als Musiker. Die technische Seite des Musizierens ist dabei zunächst einmal komplett ausgeklammert.
Wenn du als Musiker also einen Mehrwert mit der Musik erschaffst, die du machst, darfst du dich als einen guten Musiker bezeichnen. Dazu musst du kein Virtuose sein, du musst nicht der weltbeste Sänger sein und auch nicht alles wissen, was es über Musik zu wissen gibt. Du musst dazu noch nicht einmal ein Profi sein, denn gerade Laienmusiker schaffen oft mit dem Musikmachen einen hohen Mehrwert für andere oder auch für sich, weil sie oft mit viel Freude musizieren und das eben nicht machen müssen, um damit den Lebensunterhalt zu verdienen.
Und nicht jeder Musiker kann alles gleich gut. Manche beherrschen ihr Instrument perfekt, andere spielen zwar nur mittelmäßig, sind dafür aber erstklassige Entertainer auf der Bühne oder schreiben großartige Songs. Mir fallen da zahlreiche Beispiele ein:
Rod Stewart ist bestimmt nicht der beste Sänger auf dem Planeten, hat aber mit seiner Musik unzählige Leute bewegt und 250 Millionen Tonträger verkauft. Bruce Springsteen zählt ebenfalls nicht zu den guten Sängern und ist auch kein virtuoser Gitarrist. Dennoch sind seine Konzerte in wenigen Minuten weltweit ausverkauft und zum Dank spielt er mit der E Street Band nicht selten zwischen 3.5 und 4 Stunden. Phil Collins ist bestimmt ein schlechterer Sänger als Peter Gabriel es war oder ist. Und doch waren Genesis nie erfolgreicher als mit ihm als Frontmann, weil er nicht nur ein begnadeter Songwriter ist, sondern auch ein erstklassiger Entertainer. Andere Musiker hingegen beeindrucken mit einer wahnsinnigen Virtuosität und können diese entsprechend verkaufen: Man denke nur an Bands wie Toto oder Musiker wie Steve Vai, John Petrucci oder Jordan Rudess. All diese Musiker erschaffen einen Mehrwert für ihr Publikum, doch sind ihre Fähigkeiten am Instrument sehr unterschiedlich.
Definiere dich nicht über dein Instrument
Wer sich als Musiker nur über sein handwerkliches Können am Instrument definiert, ist noch lange kein guter Musiker. Am Ende ist es das Gesamtpaket, ist es der Mehrwert der durch dieses Gesamtpaket entsteht, der dich zu einem guten Musiker macht. Das soll dich natürlich nicht vom Üben abhalten. Du solltest aber nicht neidisch auf andere schielen, die vielleicht ihr Instrument besser beherrschen als du selbst oder die komplexesten Jazz Akkordverbindungen spielen können. Wenn du mit deiner Musik oder mit deinem Instrument einen Mehrwert für dich und/oder andere schaffst, dann bist auch du ein guter Musiker. Wenn deine Musik Emotionen auslöst, dann bist du ein guter Musiker, nicht weil du 32tel Noten beim Tempo 180 auf der Gitarre spielen kannst. Musiker, die das von sich glauben, werden höchstens als arrogant empfunden. Berühmtes und trauriges Beispiel: Yngwie Malmsteen.