Wissen: Kleinunternehmerregelung
Als Berufseinsteiger und Freiberufler stellt sich für dich die Frage, ob du für die Umsatzsteuer votieren solltest oder nicht. Eine Alternative ist die Kleinunternehmerregelung, die deine Rechnungsbeträge von der Umsatzsteuer befreit. Was es damit auf sich hat und welche Vor- und Nachteile dies für Musiker mit sich bringt, erfährst du hier. Disclaimer: Dies ist keine Steuerberatung oder Rechtsberatung und ersetzt nicht die Beratung durch einen Steuerberater. Frage im Zweifelsfall auch beim zuständigen Finanzamt nach.
Umsatzsteuer
In Deutschland und vielen anderen Ländern wird auf den Warenverkauf und Dienstleistungen Umsatzsteuer erhoben. Getragen wird die Umsatzsteuer vom Konsumenten, der sie beim Kauf von Waren oder bei der Inanspruchnahme von Dienstleistungen als prozentualen Anteil des Nettopreises zusätzlich zu diesem bezahlt. Die meisten Waren und Dienstleistungen werden mit 19% besteuert (allgemeiner Steuersatz), manche aber auch mit dem ermäßigten Steuersatz von 7%. Als Musiker unterliegen fast alle unsere Leistungen dem ermäßigten Steuersatz von 7%. Anders ist das beim Verkauf von Merchandising-Produkten. Befrage hier bitte unbedingt einen Steuerberater, zumal Verkaufstätigkeiten in der Regel gewerblich sind. Doch zurück zum Thema Umsatzsteuer.
Die Umsatzsteuer gibst du als Musiker an den Auftraggeber weiter. Dieser bezahlt sie an dich und du reichst sie im Anschluss an das Finanzamt durch. Ist dein Auftraggeber ein Konzertveranstalter, schlägt dieser wiederum Umsatzsteuer auf den Kartenpreis auf und gibt somit die Umsatzsteuer an den Endkunden, den Konsumenten, weiter. Auch er zahlt die Umsatzsteuer, die er einbehalten hat, an das Finanzamt.
Bevor das Finanzamt die Umsatzsteuer von dir bekommt, musst du allerdings ausrechnen, wie viel Umsatzsteuer du überhaupt abführen musst. Von der einbehaltenen Umsatzsteuer darfst du nämlich von dir gezahlte Umsatzsteuer (Vorsteuer) abziehen. Dabei darfst du die Umsatzsteuer aller Produkte oder Dienstleistungen berücksichtigen, die mit deiner Tätigkeit als Musiker zusammenhängen. Das, was am Ende deiner Rechnung übrig bleibt, zahlst du an das Finanzamt.
In der Umsatzsteuererklärung am Jahresende erklärst du deine Umsatzsteuer und legst dar, was du an Umsatzsteuer eingenommen hast und wie viel Vorsteuer du im Zusammenhang mit deiner freiberuflichen Tätigkeit du zahlen musstest. Du erhältst dann innerhalb kürzester Zeit einen Bescheid vom Finanzamt mit der Endsumme, die zu zahlen ist. Wenn du viele Ausgaben hattest und die gezahlte Vorsteuer größer ist als die einbehaltene Umsatzsteuer, bekommst du sogar eine Erstattung. Gerade bei Berufsanfängern mit zu Anfang hohen Ausgaben und geringen Einnahmen ist das oft der Fall.
Kleinunternehmerregelung
Die meisten Musiker wollen zu Beginn nur eine Sache: Auf die Bühne und mit ihrer Musik Geld verdienen. Zu Beginn der Selbstständigkeit sind die Einnahmen oft überschaubar und somit sparen sich die frischgebackenen Freiberufler den Aufwand mit der Umsatzsteuer und votieren für einen Start als Kleinunternehmer.
Die sogenannte Kleinunternehmerregelung ist in §19 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) festgeschrieben und soll Unternehmern mit geringen Umsätzen zu Beginn ihrer Tätigkeit (oder auch darüber hinaus) helfen, den organisatorischen Aufwand gering zu halten. Das geschieht, indem das Finanzamt keine Umsatzsteuer erhebt. Der Selbstständige darf also keine Mehrwertsteuer ausweisen und muss keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Er darf allerdings selbst auch keine gezahlte Umsatzsteuer (Vorsteuer) für Betriebsmittel o. ä. beim Finanzamt geltend machen.
Das vereinfacht den Aufwand für Berufsanfänger beträchtlich und hat den weiteren Vorteil, dass wir Musiker unsere Dienste günstiger anbieten können als derjenige, der umsatzsteuerpflichtig ist und diese in Form der Mehrwertsteuer an den Auftraggeber weiterreicht. Unterm Strich würde bei identischer Gage von 200€ ein Kleinunternehmer exakt diese 200€ in Rechnung stellen, der umsatzsteuerpflichtige Musiker jedoch 214€ bei einem ermäßigten Steuersatz von 7%.
Wer hat Anspruch auf diese Regelung?
In Anspruch nehmen kann die Kleinunternehmerregelung nach §19 UStG jeder Selbstständige, dessen Umsatz im vorangegangenen Kalenderjahr 22.000€ nicht überschreitet und im laufenden Kalenderjahr 50.000€ nicht überschreitet. Seit dem 01.01.2020 gilt die höhere Umsatzgrenze von 22.000€. Zuvor lag diese bei 17.500€ Umsatz. Beide Bedingungen müssen erfüllt sein. Sind sie nicht erfüllt, besteht Umsatzsteuerpflicht. Nimmt man die Kleinunternehmerregelung in Anspruch, gehört auf die Rechnung der Zusatz “Der Rechnungsbetrag ist nach $19 UStG von der Umsatzsteuer befreit”. Als Musiker können wir uns also zunächst zurücklehnen und müssen über die Umsatzsteuer nicht weiter nachdenken. Zunächst nicht, denn…
Wenn zu viel Umsatz gemacht wird
Leider geht das schneller als man denkt. Nun hatte man ein richtig gutes Jahr, viele Musikschüler und gute bezahlte Gigs. Vielleicht kamen noch einige Aufträge im Tonstudio dazu und die GEMA hat Tantiemen ausgeschüttet. Nun ist das erst einmal kein Beinbruch, denn es gibt ja die zweite Bedingung von 50.000€ im laufenden Kalenderjahr. Das verschafft etwas Luft und es besteht kein Grund zur Panik.
In meinem Fall wurde eine sehr große Rechnung zum Jahresende unerwartet schnell überwiesen. Bei der anschließenden Jahresabrechnung stellte ich mit Erschrecken fest, dass ich die damals gültige Grenze von 17.500€ Umsatz deutlich überschritten hatte. Eine kurze Rücksprache mit dem Finanzamt und ein Blick auf meine prognostizierten Umsätze zeigte, dass es besser wäre, sich auf ein Leben mit Umsatzsteuer einzustellen.
Fix wurde mein Rechnungsprogramm (GrandTotal für Apple Mac) entsprechend eingerichtet und meine Rechnungsvorlage angepasst. Vom Finanzamt habe ich eine Umsatzsteuer-ID erhalten (Achtung, diese musst du beantragen!), die dann auch auf meinen Rechnungen abgedruckt werden musste. Der Hinweis auf die Kleinunternehmerregelung wurde gelöscht. Das Finanzamt hat mich zudem gebeten, zu Beginn zunächst einmal eine quartalsweise Umsatzsteuervoranmeldung vorzunehmen. Abschließend konnte ich dann die Umsatzsteuererklärung zusammen mit der Einkommenssteuererklärung abgeben (Wunsch meines Finanzamtes, bei dir kann das anders sein). All das erfolgt bequem per Elster.
Mit einer Vorlage für Excel-Äquivalent am Mac, der Software Numbers, habe ich alle meine Ein- und Ausnahmen erfasst und musste am Ende des Quartals nur noch die entsprechenden Zahlen in das Elster-Formular übertragen. Es lohnt sich, eine solche Vorlage zu nutzen oder alternativ eine Software. So wird auch das Erstellen der Umsatzsteuererklärung zum Kinderspiel.
Das alles war ganz schön aufregend und viele Sorgen habe ich mir umsonst gemacht. Ganz im Gegenteil: Die Verlage, für die ich gearbeitet habe, waren froh, denn nun konnten sie die an mich gezahlte Umsatzsteuer ihrerseits als Vorsteuer geltend machen und so ihre eigene Umsatzsteuerbelastung verringern. Da die Umsatzsteuer ein durchlaufender Posten ist, sind gerade Geschäftskunden in dieser Hinsicht tiefenentspannt, wenn du sie plötzlich auf dein Honorar aufschlägst. Anders ist das bei Privatkunden, die nun mehr für deine musikalischen Dienste leisten müssen. Hochzeitssänger und -sängerinnen zum Beispiel werden durch das Aufschlagen der Mehrwertsteuer teurer als ein Kleinunternehmer. Aber all das sollte dich nicht ärgern, sondern freuen, denn immerhin hast du es geschafft, als Musiker ernstzunehmende Umsätze zu generieren, was nicht leicht ist.
Warum dann als Kleinunternehmer starten?
Zu Beginn deiner musikalischen Karriere solltest du dich voll und ganz auf das Musizieren und die Selbstvermarktung konzentrieren können. Das ist nicht immer ganz leicht, wenn man sich mit der Buchhaltung herumschlagen muss. Manchmal kann es zudem auch ganz gut sein, wenn man einige Euro günstiger ist als die Konkurrenz, wenn man für Privatpersonen arbeitet. Wer von Anfang an mit Unternehmern zu tun hat, sollte für die Umsatzsteuer votieren. Auch dann, wenn die Ausgabenseite sehr hoch ist und zum Beispiel Instrumente, Noten, Beschallungsanlage und mehr angeschafft werden müssen (oder ein betrieblicher PKW), ist das Votieren für die Umsatzsteuer ein Vorteil.
Ich selbst habe als Kleinunternehmer gestartet, weil meine Tätigkeit ein Mix aus Musikunterricht, Autorentätigkeit sowie Chorleitung für eine Kirchengemeinde war und bis auf den Verlag, für den ich regelmäßig geschrieben habe, niemand die mir ausbezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer hätte geltend machen können. Außerdem habe ich damals den Aufwand gescheut und viele Aspekte der Selbstständigkeit wie Künstlersozialkasse, EÜR, Rechnungserstellung und mehr waren für mich komplett neu. Ich habe also die Kleinunternehmerregelung auch genutzt, um die Lernkurve zu Beginn flacher zu halten. Rückwirkend würde ich das anders machen und für die Umsatzsteuer votieren, da gerade die zu Beginn erfolgten Anschaffungen somit für mich günstiger gewesen wären. So wurde ich einige Jahre später ins sprichwörtliche kalte Wasser geschubst und musste sofort los schwimmen. Schlimm war das nicht. Hätte ich damals vielleicht von einem anderen Musiker erfahren, wie leicht die Umsatzsteuer eigentlich zu handhaben ist, wäre meine Entscheidung anders ausgefallen.
Am Ende liegt die Entscheidung jedoch bei dir und wenn du wenige bis geringe Anfangsinvestitionen und ebenso geringe laufende Kosten hast, die Umsatzsteuer enthalten, die du wiederum als Vorsteuer geltend machen kannst, spricht nicht viel gegen den Start als Kleinunternehmer. Lass dich einfach von einem Steuerberater beraten. Für den Start ist eine einzelne Beratung gut investiertes Geld, selbst wenn du dann in der Folge deine Einkommenssteuererklärung selbst anfertigst.